Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel

Predigtimpuls

„Ich lebe und auch ihr sollt leben!“

1. Lesung: Offb 11,19a;12,1.3-6a.10ab
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Kor 15,20-26
Evangelium: Lk 1,39-56
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de


„Ich lebe und auch ihr sollt leben!“
Welche Gedanken und Gefühle bewegen Sie an diesem Festtag? Erfüllen Sie Gedanken und Gefühle der Freude, des Dankes, der Hoffnung oder Gedanken und Gefühle des Vorbehaltes, der Skepsis, des Zweifels oder ein eigenartiges Gemisch aus beidem? – Ich vermute, der Inhalt dieses Festes ruft auch bei Gläubigen unterschiedliche Reaktionen hervor. Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Fragen reagieren. Aber eines ist klar, ihre spontanen Reaktionen werden sich verändern, wenn Sie sich ein wenig mit dem Inhalt dieses Festes beschäftigen.

Gibt es Hoffnung für das Gelingen unseres Lebens?
Mir scheint, im Hintergrund dieses Festes stehen wichtige menschliche Fragen: Gibt es eine Hoffnung, dass unser Leben letztendlich gelingt? Hat unser Leben eine Zukunft, die uns dauerhaftes menschliches Leben eröffnet? Zeigt sich in unserem Leben, besonders an seinem irdischen Ende, so etwas wie eine umfassende Sinnerfüllung, wie Leben in Fülle, oder läuft alles auf eine letzte Sinnlosigkeit, auf den endgültigen Tod, auf das kalte Nichts zu?

Ja, es gibt diese Hoffnung
Dieses Fest wirft diese Fragen nicht nur auf. Es beantwortet sie auch. Ja, es gibt eine Hoffnung. Unser Leben hat Zukunft. Unser menschliches Leben ist nicht ein vergebliches Unterfangen. Es endet nicht im Nichts. Es wächst, setzt sich fort und entfaltet sich von Gott her zu einem endgültigen, dauerhaften Leben über den Tod hinaus. Nicht die Sinnlosigkeit, nicht der Tod, nicht das Nichts haben das letzte Wort, nein der Sinn, das Sein, das Leben. Darüber redet unser Fest nicht theoretisch. Es erinnert, vergegenwärtigt und feiert das Schicksal und die Geschichte des Menschen Maria. Von ihr bekennt und verkündet es, dass sich an und in ihr alles erfüllt und verwirklicht hat, was Gott dem Menschen verheißt.

Das „Schicksal“ Marias erweist es
Können wir das aber annehmen? Können wir das alles bejahen? Unser Leben und das, was wir darin erfahren, sieht doch oft so ganz anders aus. So viele Hoffnungen zerbrechen, so viele Sehnsüchte bleiben unerfüllt, so viele Versuche, unser Leben auf die Spur des Gelingens zu bringen, laufen ins Leere. So häufig erleben wir das Sinnlose, das Absurde, den Tod. Gegen diese Erfahrungen betont die Lebensgeschichte Marias: Das menschliche Leben gelingt nicht aus eigener Kraft. Die Hoffnung auf eine endgültige Zukunft baut sich nicht aus sich selbst auf. Sie lebt nicht als Frucht eigenen Tuns, eigener Anstrengung und eigenen Einsatzes. Dass ihr Leben gelingt, dass ihr Leben sich zu einem wahren Leben von Gott her entfaltet, dass es für sie in eine endgültige Zukunft bei Gott mündet, erfährt sie als Geschenk, als Gabe, als Gnade. Das ist wiederum nur möglich, wenn Gott als das letzte Geheimnis des Lebens, seines Beginnes, seiner Mitte und seiner Zukunft, sich als tragende und bergende Liebe zeigt. Das geschieht in und durch Jesus, den Sohn Marias. Er lebt ganz fundamental von dieser Liebe her. Und Maria ist der Mensch, der sich darauf mit der ganzen Kraft seines Glaubens und Hoffens einlässt. Sie hält, soweit sie uns in den Zeugnissen der Schrift begegnet, diesen Ansatz durch alle Dunkelheiten, Fragen und Anfechtungen hindurch fest. Deswegen glaubt die Kirche von ihr, dass sie als ganzer Mensch in die Vollendung, in die Fülle des Lebens eingegangen ist, die Jesus, ihr Sohn, eröffnet hat und in die er selber eingegangen ist. Maria ist der Mensch, der in der Nachfolge ihres Sohnes auch an seiner Zukunft teilhat.

Bedeutung für uns
Hier an dieser Stelle tauchen auch wir auf. Wir stehen ja in derselben Situation wie Maria. Die Frage nach der Hoffnung unseres Lebens, nach seiner Zukunft, nach seinem endgültigen Gelingen löst sich auf dem Weg, den Maria gegangen ist. Die Frage nach einer letzten Sinnerfüllung, nach einem endgültigen Leben über alle Tode hinaus findet ihre Antwort in einem Leben, das sich an ihrem Beispiel orientiert. Diese Frage löst sich nicht theoretisch, sondern nur in einem Leben, das mit dem letzten Geheimnis unseres Lebens, der Liebe und der Gnade rechnet, die uns auf dem Weg der Nachfolge Jesu entgegenkommen. Vielleicht gelingt es in einem Leben, dessen Überzeugung ein neueres Glaubensbekenntnis so formuliert: „Ich sehe, wie Welt ist und wie Leben ist. Und darum sehne ich mich nach dem ganz Anderen: dass eine andere, eine letzte Wirklichkeit diese Welt und dieses Leben bergend umhüllt. Ich weiß, dass es Beweise nicht geben kann, aber dass es glaubwürdige Bezeugungen gibt. Und ich sehe in dem, was an dem Mann aus Nazareth geschehen ist, eine Bestätigung für alles hoffende Leben hier. Ich sehe die Vernichtungsmächte und den Tod, und dass dennoch die letzte Überschrift ist: ,Ich lebe und auch ihr sollt leben‘“ (J. M. Meier).

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Janicki verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1997; S. 283f]


P. Franz-Josef Janicki SVD