Hochfest Mariä Empfängnis

Predigtimpuls

Maria als Modell

1. Lesung: Gen 3,9-20
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 1,3-12
Evangelium: Lk 1,26–38
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Gleich einem Eingangstor zum Advent tritt schon die größte und wichtigste Gestalt des Advents auf. Am letzten Adventssonntag, dem Heiligen Abend, befassen wir uns näher mit ihr. Das Evangelium beider Tage ist das gleiche, beleuchtet aber den Inhalt aus einem je anderen Gesichtspunkt.

Ein Dogma befremdend? 

Es handelt sich um das Dogma, das dem heutigen Festtag den Namen gibt. Die Immaculata ist vielen Christinnen und Christen fremd geblieben und stößt sogar auf Ablehnung. Die Kirchensprache „Immaculata“, auf Deutsch „Unbefleckte“, verleitet dazu, an sexuelle Reinheit zu denken. Ökumenisch hat dieses Dogma von 1854 die Protestanten vor den Kopf gestoßen.

Es lohnt sich aber, über die Glaubensaussage nachzudenken. Das Dogma korrigiert nämlich ein traditionelles Missverständnis von Erlösung.

Erlösung ganzheitlich 

Wir glauben: „Jesus ist gestorben wegen unserer Sünden und um von den Sünden zu befreien“. Es geht um Erlösung von den Sünden und Heilung unserer menschlichen Existenz.

Sünde und Schuld berühren die negative Seite unseres Daseins. Im Vergleich mit Krankheiten drängt sich ein erweiternder Gedanke auf, nämlich die Vorsorgemedizin, um Krankheiten zu vermeiden, oder die Regelungen, um Unfälle zu vermeiden. In ähnlicher Weise haben auch Theologen gedacht. Ein Erster ist Lukas, der Verfasser des Evangeliums. Spätere Theologen haben den Ansatz des Lukas weitergedacht, worunter das Dogma der Immaculata einen Schlusspunkt setzt. Es geht um ein umfassendes Verständnis von Erlösung, das über Heilung von Sünde hinausgeht.

Maria als Modell 

Die Theologie über Erlösung setzt bei Maria an und zieht von ihr her Schlüsse für Erlösung. Maria steht als Mutter und Glaubende wie kein anderer Mensch an der Seite des Erlösers. Dies wird schon beim Namen, den sie ihrem Kind geben soll, in die Erlösung einbezogen: Jesus, übersetzt „Gott rettet“. Der Bote Gottes sieht schon in Maria eine Gerettete: Er bezeichnet sie als „Begnadete“. Gnade besagt, dass Gott diese Frau in ihrer ganzen Existenz in seine erlösende Gegenwart aufgenommen hat. Von einer Heilung oder von Schuld ist keine Rede.

Lukas beschreibt Maria im Folgenden als Glaubende. Elisabeth preist sie dafür. Im Evangelium ist Maria das Vorbild aller Glaubenden und Erlösten.

Das Dogma orientiert sich daran und formuliert, dass Maria vom Augenblick ihres Daseins an bis zum Ende ihres irdischen Lebens als Begnadete eine Erlöste ist. An ihr vollzieht sich Erlösung umfassend. 

Weiter folgert das Dogma, dass Maria nicht erst von Sünde geheilt werden musste, sondern vom Beginn ihres Daseins an „unbefleckt“ (immaculata), also ohne Sünde, war. Leider verdunkelt dieser schwer verständliche Ausdruck den Sinn des Glaubenssatzes.

Bedeutung des Dogmas

Die biologische Nähe Mariens zum Erlöser ist ein besonderes Privileg. Die Erlösung, die ihr zuteil wurde, ist kein Privileg, denn Jesus hat sie für alle Menschen erwirkt. Allen Menschen wird Erlösung in ihrem ganzen Dasein verheißen. 

In einem Punkt unterscheiden wir uns von Maria, denn von keinem Menschen können wir sagen, dass er vollkommen und ohne Sünde ist. Wir dürfen uns vorstellen, wie schön es wäre, wenn es Menschen gäbe, die umfassend erlöst sind. Solche Menschen könnten die Welt von Grund auf verändern. Von Maria sagt die Kirche, sie ist eine ganzheitlich Erlöste. Was uns Menschen betrifft, hat sich die Kirche nie um den Nachweis bemüht, dass ein Mensch, mag er der bedeutendste Heilige sein, frei von Sünde ist.

Unsere Erwartung 

Deswegen harrt die Welt noch auf die volle Erlösung. Nicht nur wir Menschen, sondern die ganze Schöpfung seufzt nach der Vollendung der Erlösung (Röm 8,22).

In allen Briefen des NT werden die Christinnen und Christen ermahnt, als Erlöste zu leben. Tatsächlich gibt es unzählige Menschen, meist einfache wie Maria, die ihr Leben auf Gott und die Mitmenschen ausrichten. Papst Franziskus ruft in seinen Enzykliken dazu auf, unsere Welt „von unten“ her zu gestalten, dass sie erlöst werden kann. 

Am Beginn dieses Advents begegnen wir der Frau aus Nazareth. Sie lernte im Glauben, wer und was das Kind ist, das sie der Welt geschenkt hat. Wir dürfen in diesen Glauben hineinwachsen, damit wir am Ende unserer Tage, wie es an Maria geschehen ist, ebenfalls der vollen Erlösung teilhaftig werden.

P. Dr. Jakob Mitterhöfer SVD