10. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Spannung und Erlösung

1. Lesung: Gen 3,9-15
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Kor 4,13 - 5,1
Evangelium: Mk 3,20-35



pannung und Erlösung

Liebe Mitchristen!
Einen Film im Kino oder im Fernsehen bezeichnen wir bisweilen als spannend; beim Ansehen sind wir ganz konzentriert, ja gefesselt dabei. Genauso kann es uns beim Lesen eines Buches gehen, dessen Text spannend geschrieben ist. Erlebnisse und Erfahrungen, die gezeigt und beschrieben werden, sind für uns manchmal spannende Geschichten, die uns in den Bann ziehen, weil sie von unserem Leben erzählen.

Ist die Bibel nicht auch ein spannendes Buch? Die Erzählungen in der Bibel beschreiben den Spannungsbogen, beginnend mit der Schöpfungsgeschichte Gottes bis zur Erlösung des Menschen durch Jesus Christus und dem Leben der jungen Christusgemeinden. Das Buch der Offenbarung schließt mit der Bitte: „Komm, Herr Jesus!“

In den heutigen Lesungen aus der Bibel wird dieser Spannungsbogen sehr deutlich angesprochen. Wir Menschen sind ausgespannt zwischen der Macht des Bösen und der Macht Gottes. Dieses Ausgespannt-Sein fesselt nicht selten unsere Lebensmöglichkeiten. Der Spannungsbogen reicht in diesen Texten von der Abkehr zu Gott, von der Feindschaft zwischen den Menschen bis hin zum Geschenk der Geschwisterlichkeit Gottes in Jesus Christus. Wir Menschen stehen immer zwischen diesen beiden Seiten. Wir können sehr viele persönliche Ereignisse auf dieses Bild anwenden und uns darin wiederfinden. Denken wir beispielsweise nur an die Situation, wo wir verschiedener Meinung sind. Wie schnell kann das zu harten Auseinandersetzungen, Spannungen und Streitigkeiten führen! Was fesselt uns. was führt nicht alles zu einseitigen Vorurteilen usw.?

Im heutigen Evangelium wird berichtet, wie Jesus mit der Verständnislosigkeit seiner Verwandten und gegen den Vorwurf der Besessenheit zu kämpfen hat. Er erfährt ganz deutlich die Härte der Auseinandersetzungen. Er möchte aber mit aller Konsequenz deutlich machen, dass das Böse durch das Gute zu überwinden ist. Für ihn lässt sich das erreichen durch die vertraute Verbundenheit zu seinem Vater.

Jesus hat uns die Möglichkeit eröffnet, das Böse zu überwinden in der Kraft des Heiligen Geistes. Er macht die Menschen fähig, die Wahrheit Gottes zu erkennen, wenn sie uns im Leben begegnet. Doch wer sich weigert, von der gottgegebenen Gabe Gebrauch zu machen, wird sie einbüßen. Wir können das vergleichen mit folgenden Erfahrungen: Wer lange im Dunkeln lebt, kann schließlich nicht mehr sehen. Wer sehr lange bettlägerig ist, kann schließlich nicht mehr gehen. Wer sich weigert, geistige Anstrengungen zu machen, verliert schließlich die Kraft dazu. Und wer sich hartnäckig weigert, sich vom Geist Gottes leiten zu lassen, wird diesen Geist der Wahrheit schließlich auch dann nicht mehr erkennen, wenn er auf ihn stößt. So dürfen wir Jesu Urteil verstehen von der Sünde wider den Heiligen Geist. Eindringlich will er darauf aufmerksam machen, dass wir uns diesen Weg nicht verbauen und offen halten …

Jesus begibt sich mit seiner ganzen Person in die menschlichen Verspannungen hinein. Er wird verdächtigt, angefochten und verhöhnt. Er wagt es, auf materielle und persönliche Sicherheiten zu verzichten. Seine Konsequenz bringt ihn ans Kreuz, wo er ausgespannt ist zwischen den beiden Seiten des Lebens mit all den Widerwärtigkeiten, Ängsten, Sorgen, Zweifeln und dem guten Gott, dem barmherzigen Vater, der vergibt und neues Leben schenkt.

Die Entscheidung des Menschen, wie in der ersten Lesung beschrieben, nach dem Baum der Erkenntnis und des Lebens zu greifen, die zum Bruch, zu den Gegensätzlichkeiten der menschlichen Lebensbedingungen führt und die Schöpfungsharmonie zerstört, wird durch den Baum des Kreuzes wieder gut gemacht. Er stellt die Verbindung zwischen Gott und uns Menschen wieder her und erwählt uns zu seinen Geschwistern im Glauben. Das Kreuz bringt die Gegensätzlichkeiten zusammen. Im Bild vom Kreuzesbaum können wir unser Ausgespannt-Sein umschreiben:

Am oberen Ende des aufrechten Balkens steht GOTT, der in unsere Wirklichkeiten (Realitäten) heruntergekommen (Längsbalken unten) ist. Am Querbalken links steht unser starkes ICH, das wir oft nur zu gern über alles stellen. Dem gegenüber steht der andere, (Querbalken rechts) das DU. Wie Christus von sich absieht und auf die Nähe Gottes verweist, so hilft uns der Blick auf Christus, nicht nur uns selbst zu sehen, sondern mit ihm und durch ihn den anderen ernst zu nehmen und miteinander die Gegenwart Gottes zu erspüren. Die Verspannungen der menschlichen LEBENSSITUATIONEN lösen sich und Erlösung kann erfahrbar werden.

Paulus sagt in seinem Text den entscheidenen Satz: „Wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert!“ Diese Haltung ist wie die Verwurzelung eines Baumes im tiefen Erdreich, wo der Baum Lebensgrund findet und so allen Stürmen des Lebens standhalten kann. Diese Verwurzelung ist für uns das Miteinander in einer geschwisterlichen Kirche, deren Mitte Jesus Christus ist.

Ein Text von Lothar Zenetti‘ leitet uns an, uns Gott anzuvertrauen und all unsere Spannungen zu entladen in unserer Glaubenshaltung:

Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Gebet.
Gib Wurzeln mir, die in die Erde reichen, dass ich tief gründe in den alten Zeiten, verwurzelt in dem Glauben meiner Väter

Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Gebet.
Gib mir die Kraft, zum festen Stamm zu wachsen, dass aufrecht ich an meinem Platze steh‘, auch wenn die Stürme toben

Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.
Gib, dass aus mir sich Aste frei erheben und meine Kinder, Herr, lass sie erstarken und ihre Äste recken in den Himmel

Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.
Gib Zukunft mir und lass die Blätter grünen. Und nach dem Winter Hoffnung neu erblühen und wenn es Zeit ist, lass mich Früchte tragen.

Herr, wie ein Baum, so sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.

1 Dieser Text wurde vertont von P. Osanger SDB und der Gruppe „Happy together“, (Klagenfurt). Die CD/MC kann bezogen werden bei H. Salzl SDB, Don-Bosco-Str. 1,83671 Benediktbeuern. Tel.: O 88 57/8 84 19.


[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Seggewiß verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1997; S. 227-229f]


P. Bernhard Seggewiß SDB