16. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Ohne Gebet und Zeit zum Hören auf den Heiligen Geist geht es nicht.

1. Lesung: Jer 23,1-6
Zwischengesang: www.antwortgpsalm.de
2. Lesung: Eph 2,13-18
Evangelium: Mk 6,30-34


Die erste Lesung des heutigen Sonntags spricht von den Verfehlungen derer, die als Hirten dem Volke vorgesetzt waren um es zu leiten und zu führen. Das amoralische Verhalten von vielen Hirten verursachte Streit, Zwietracht, tiefe Enttäuschungen, Leid und Not. Es führte viele im Volk von Glaubensabfall und Treue zu ihrem Gott zu Götzendienst und Zauberei.

Manches, was die erste Lesung anprangert, spiegelt sich in vieler Hinsicht auch heute in unseren Kirchengemeinden wieder: Missbrauch von Kindern, Finanzskandalen, Austritt von Priestern und immer noch überzogenes klerikales Verhalten. Und Gott droht auch ihnen mit den Worten:

Spruch des Herrn. “Wehe den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen”. Darum - so spricht der Herr, der Gott Israel, über die Hirten die mein Volk weiden: “Ihr habt meine Schafe zerstreut und versprengt, ihr habt euch nicht um sie gekümmert. Jetzt ziehe ich euch zur Rechenschaft wegen euer bösen Taten“.

Trotz all dem, Gott wird seine Herde nicht verlassen, sondern er wird eingreifen, sie neu sammeln, ihnen Hirten geben nach seinem eigenen Herzen, die sich um die Schafe kümmern und sie so von ihren falschen Göttern, von Ängsten und Sinnverlust befreien.

Erstaunlich ist in dieser Lesung: So wie Gott immer aus jeder Androhung von Unheil im Alten Testament neue Hoffnung verspricht und für Heilung und Friede sorgt, so wird er auch jetzt dafür sorgen, das echte Erneuerung in seinen Kirche sich ereignen wird, wenn das sich auch lange hinzieht. Auch hier gilt der Spruch:

“Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein. Ob aus Langmut er sich säumet, bringt mit Schärf’ er alles ein.”

In Neuen Testament sollte man aber das Wort “Schärfe” im obigem Zitat mit Gottes unendlicher Barmherzigkeit ersetzen, denn darin zeigt sich das wahre Wesen Gotten wie Jesus es uns offenbarte .

Die erste Lesung wird damit -trotz allem- zu einer Frohen Botschaft werden auch für uns heute, die Hoffnung und Zuversicht verheißt.

Wie das aber zu einer Frohen Botschaft werden kann, hängt aber auch von unserer Umkehr ab. Was müssen wir tun heute zur Erneuerung des Glaubens? Darauf gibt uns das Evangelium heute eine interessante Antwort, die Jesus selber initiierte.

Wiederum gleicht die Szene im Evangelium unserer gegenwärtigen Zeit. Die Jünger kommen zurück von ihrer ersten Aussendung, glücklich und voller Begeisterung über die Macht, die Jesu Botschaft durch sie entfesselte im Heilen, Befreien von Bösen und Versöhnung. Von all dem sind sie aber auch erschöpft. Jesus erklärt ihnen: Nun braucht ihr ein Zeit der Ruhe, zieht euch eine Weile zurück, um Körper und Seele zu stärken, um zu verarbeiten, was ihr auf dieser eurer ersten Teilnahme an Jesu Sendung erfahren und gesehen habt. Nun wird es Zeit zum Nachdenken, zum Meditieren, zum Danken und Beten um die Eingebung des Geistes zu hören und zu folgen.

Die Jünger brauchen Ruhe und Zeit um beim Hirten zu sein, bei ihm zu bleiben, damit sie selber Hirte werden nach dem Vorbild ihres Meisters. Jesus hat selber ganze Nächte zum Vater gebetet, mit ihm geredet, Kraft geschöpft um seine Sendung genauer zu verstehen und auszufüllen zu können.

Jünger/Innen sein heißt ja zunächst einmal eine tiefe Freundschaft mit dem Herrn zu erlangen. Denn Jesu Botschaft ist nicht eine abstrakte Weltanschauung, sondern eine tiefe Verbundenheit mit ihm. Es erfordert sich so den Schafen gegenüber zu verhalten wie es Jesus im Gleichnis vom verlorenen Schaf beschrieben hat. Es braucht Ruhe, Gebet und besinnliches Durch-meditieren, um das Verhalten des guten Hirten Jesu im Umgang mit der Herde zu erlernen, um selber ergriffen zu werden von Mitleid wie der Meister es war im Anblick der vielen, die Armen, Ausgestoßen und ihrem Elend Überlassenden. Der Text sagt:

Als Jesus aus dem Boot stieg und die vielen Menschen sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Deshalb nahm er sich viel Zeit, ihnen Gottes Botschaft zu erklären (Mk 6,34).

So zu fühlen mit den Menschen wie ihr Meister es tat, braucht tiefes Erkennen und Erfahren, das ihnen nur in Lebensgemeinschaft mit Jesus geschenkt werden konnte.
Jesus legte die Messlatte sehr hoch für die, die ihm ernsthaft nachfolgen wollten. Er forderte seine Jünger auf, den Vater im Himmel als Maßstab für ihr Handeln zu nehmen

Euer Vater im Himmel ist voll Erbarmen. Werdet so barmherzig, wie euer
Vater im Himmel barmherzig ist (Lk 6,36).

Es geht nicht um Glaubensbekenntnis heute, sondern um Glaubens-erfahrung. Menschen fragen nach einem Gott, den sie “erleben” können, der ihnen in einer verworrenen Welt “fühlbar” Sinn, Hilfe und Beistand gibt in all ihren täglichen Nöten und Sorgen.

Genau hier liegt die Attraktivität der Pfingstkirchen, die nur eine “persönliche Geisterfahrung” als zeitgemäße und einzig richtige Antwort auf das Suchen nach Lebenssinn garantieren. Nur durch die “Geist-taufe”, die den Menschen auf persönlicher Ebene den Geist erfahren lässt, kann er Sinn und Halt für sein Leben im Glauben finden.

Wichtig ist, darauf aufmerksam zu machen, dass Gott immer das „absolute Geheimnis” bleibt, eine Wirklichkeit, die wir Menschen nie ausloten können. Das anzuerkennen, fällt gläubigen Menschen nicht leicht Sie wollen Gott immer besser verstehen, am Ende genau wissen, wer Gott ist und was er will. Karl Rahner hat davor gewarnt. Er fasst seine Erkenntnis so zusammen: „Glauben heißt: die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten."

Rahner argumentiert, dass auch die Lehre der Kirche Gott nicht fassen und erklären kann. Glaubenssätze können hilfreich sein, gewiss. Aber so meinte er einmal „Dogmen sind wie Straßenlaternen. Sie beleuchten den Weg der Gläubigen. Aber nur Betrunkene halten sich an ihnen fest."

Er war davon überzeugt, dass man Gott nicht abstrakt in Büchern und Hörsälen findet. Gott, der all Barmherzigen, erschließt sich nur durch ein geistiges Leben in Verbindung mit Jesus, der in uns wohnt. Begegnen kann man ihm nur in den konkreten Erfahrungen des eigenen Lebens. Rahners Verheißung hat sich bewahrheitet, wonach „der Fromme von morgen ein Mystiker sein wird, das heißt, einer der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein." Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns gegenseitig unsere Erfahrungen mit Gott austauschen. Dass wir uns darüber unterhalten austauschen, was unser Leben im Kern ausmacht, woraus wir die Kraft schöpfen, unseren Alltag zu bestehen. Christen verweisen dabei auf Gott, ohne ihn je vollkommen zu begreifen.

Die Kraft unserer Verkündigung hängt davon ab, wie überzeugend wir Gottes Gegenwart in unserem Leben erfahre, wieweit Christus in uns Wohnung genommen hat (Röm 8,9). Frere Roger Schutz, Gründer der Gemeinschaft von Taizé in Burgund sage den Jugendlichen immer wieder: “Denkt daran, ihr seid das einzige Evangelium, das die Menschen heute noch lesen werden”.

Was das konkret bedeutet, kann uns die Geschichte von dem Schauspieler und dem frommen Pfarrer sehr gut erklären.

Ein bekannter Schauspieler mit einer wunderbaren Stimme wurde einmal von einem alten Pfarrer gebeten, denn Psalm 23 vor der Gemeinde zu rezitieren. Der Schauspieler war bereit, aber er bat den alten Pfarrer diesen Psalm nach seinem Rezitieren auch seiner Gemeinde selber den Psalm einmal vorzulesen. Nachdem der Schauspieler den Psalm eindrucksvoll vorgetragen hatte, klatsche die Gemeinde anhaltenden und begeisterten Beifall. Dann war die Reihe am Pfarrer, der den Psalm mit gebrochener Stimme und eher monoton vortrug. Kein Vergleich zum Vortrag des Schauspielers. Nach dem Rezitieren des Pfarrers herrschte dagegen tiefe, fast ehrfurchtvolle Stille, einige der Zuhörer hatten sogar Tränen in den Augen.

Da stand der Schauspieler auf und erklärte der Gemeinde: “Der große Unterschied zwischen mir und eurem Pfarrer liegt darin: “Ich weiß, wie man Menschen mit gekonnten Betonungen und richtiger Tonlage, mit gesenkter und geschliffener Stimme berühren und beeindrucken kann. Dazu kenne ich diesen Psalm sehr gut. Der alte Pfarrer aber hat - selbst mit seiner brüchigen und nicht gerade kunstvollen Art den Psalm zu rezitieren - Euer Herz berührt. Was ist der Unterschied? Sehr einfach: ich kenne den Psalm, der Pfarrer aber kennt den Hirten”.

 

P. Dr. Johannes Füllenbach SVD