26. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Kritisch, offen und weltzugewandt

1. Lesung: Num 11,25-29
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Jak 5,1-6
Evangelium: Mk 9,38-43.47-48

Kritisch, offen und weltzugewandt

Meister, wir haben gesehen
Die gibt es immer, die Leute, die ständig andere beobachten, ob sie auch alles richtig machen – in ihrem Sinne. Ob sie die Normen erfüllen, die eine Zugehörigkeit zur Kirche oder zur Rechtgläubigkeit ausdrücken. Es kann doch nicht sein, dass andere so handeln, dass sie dem Plan Gottes und der Botschaft Jesu entsprechen, ohne „zu Ihm zu gehören“. Das war schon zur Zeit Jesu so, und das ist auch heute (noch) so. Mich beeindruckt, wie souverän Jesus mit der Besorgnis des Jüngers umgeht. Er weist ihn nicht zurück. Er eröffnet dem Jünger – aber auch dem Fremden – einen neuen Weg: nicht ausgrenzen, sich nicht verschließen oder anderes negativ beurteilen, sondern eine Brücke bauen. Das tut heute mehr denn je Not, um den vielfältigen und fanatischen Strömungen in Kirche und Welt eine Alternative zu bieten. Dabei hat man zudem den Eindruck, dass es oft nicht um den Menschen geht, sondern mehr um die Durchsetzung eines Programms oder einer Ideologie – natürlich „zum Wohl der Menschen“, wie man behauptet.

Hindert ihn nicht!
Jesus gehört eindeutig nicht zur Riege solcher Fanatiker. Er schaut vielmehr auf das Bemühen der Menschen. Wer da versucht, in seinem Sinne (und damit im Sinne Gottes) dem anderen Gutes zu tun, nämlich Dämonen auszutreiben, zu heilen, der kann nicht gegen ihn sein. „Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden“, heißt es im Text. Diese Erweiterung des Blickwinkels, den Jesus da vorführt, bewahrt in erster Linie vor einem vorschnellen und ungerechten Urteil, ja vor Verurteilung. Den anderen nicht daran hindern, seine Sicht zu realisieren, zu tun, was er für richtig hält, eine Not lindern zu wollen – all das braucht einen gewissen Freiraum, den jeder von uns benötigt. Eine Haltung des unkritischen Nickens und Jasagens hat nichts mit der Wahrnehmung der Eigenverantwortung und Gewissensentscheidung zu tun, die von jedem von uns gefordert ist – und nicht delegiert werden kann.

Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
In einem Seminar über Kommunikation und Kommunikationsmittel legte ein Referent auch einige Tatsachen vor, die eine – aus heutiger Sicht – traurige Epoche der Kirche beleuchteten: die Verurteilung bzw. Zurückweisung neuer Möglichkeiten der Kommunikation, die als gefährlich und unmoralisch – und damit nicht akzeptabel – angesehen wurden: Radio, Fernsehen, später dann Internet. Natürlich kann ich alles missbrauchen; natürlich ist heute die Gefahr der Manipulation enorm gewachsen und kann es dahin kommen, dass nicht mehr ich es bin, der diese Medien gebraucht, sondern dass ich ein Sklave dieser Entwicklungen werde. Dabei wurden aber der positive Wert und die ungeheuren Möglichkeiten – auch für die Verkündigung – gar nicht oder nur sehr gering gesehen. Erst später – als die Entwicklung schon wieder weitergegangen war – äußerte sich die Kirche dazu positiv. Im Bereich der Parteien sehen wir schon seit langem, dass ein „C“ im Namen oder Programm noch lange nicht besagt, dass dort auch christlich gehandelt und gelebt wird. Der Satz „Wer nicht gegen uns ist…“ bekommt da eine neue Brisanz. Was früher vom Christlichen her besetzt war, ist heute auch bei vielen anderen Parteien oder Einrichtungen vorzufinden. Das könnten wir als Christen viel mehr nutzen, um so miteinander die so oft beschworenen „christlichen Werte des Abendlandes“ wieder als Grundlage für unser Zusammenleben zu erfahren – freilich aus vielleicht sehr verschiedenen Blickwinkeln. Ein sehr wichtiges Thema, auf das ich hier aber nicht näher eingehen kann, ist da der ganze Bereich der Ökumene. Was hat sich da nicht alles getan – und was muss da noch alles geschehen!

Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt
Jesus selbst verspricht auch denen, die ihm zwar nicht direkt nachfolgen, aber seine Ziele mitverfolgen, einen Lohn! Ist das nicht ungeheuerlich? Warum sollen sich dann die Jünger so viel Mühe machen? Warum soll ich Sonntag für Sonntag in die Kirche gehen, wenn es auch anders geht? Fragen wir uns dies ehrlich – und scheuen wir nicht unbequeme Antworten! Unser Christsein, unser Leben und Handeln wird wohl von Gott mehr daran gemessen, woraus wir wirklich gelebt haben. Gott wird uns nicht fragen: was hast du alles gemacht, aufgebaut oder gebetet – sondern letztlich: hast du geliebt? Warst du für die Menschen da? Diese Liebe zeigt sich wesentlich im Miteinander und Füreinander, ob wir im anderen Christus erkannt haben. Das ist der Gottesdienst, der Gott gefällt!

Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt …
Mit den „Kleinen“ hat der Evangelist wohl nicht in erster Linie Kinder gemeint, sondern alle, die irgendwie „klein“ sind – oder dafür gehalten werden. Die keine Macht oder großen Einfluss in unserer Gesellschaft haben. Die immer wieder an den Rand gedrängt oder sogar ausgeschlossen werden, wie Papst Franziskus sagt. Unsere Geschichte – auch die der Kirche – ist voll davon, bis in unsere Tage. Wer in guten und gesicherten Verhältnissen lebt, kann dies oft nicht adäquat nachempfinden und dem fehlt dann auch die unmittelbare Erfahrung von Not und Elend. Nur wer sich dem nähert, der kann dies ermessen – und der wird von diesen Menschen als einer der Ihren erfahren und anerkannt. „Den Stallgeruch der Schafe, der Kleinen …“ annehmen ist gar nicht so leicht, stößt vielleicht sogar ab. Aber es kann unsere Sicht und die Bedeutung der Botschaft Jesu für uns sehr verändern – und damit auch uns selbst.

Und wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt …
Das heißt, all das, was uns daran hindert, Jesus zu begegnen, ist nicht gut und soll ausgemerzt werden. So werden wir frei für Ihn und die anderen, können uns dem nähern, was mit Reich Gottes gemeint ist. Das ist auch eine ständige Mahnung für die Kirche, für uns, dass wir stets aufmerksam sind und uns z. B. nicht durch Gewohnheiten, die heute nicht mehr taugen, einengen lassen. Dass wir Traditionen und Gesetze, die früher einmal geholfen haben, nicht für alle Zeit als bindend und verpflichtend ansehen. Manches, was früher sicherlich wohlgemeint als wichtige Glaubenswahrheit vorgestellt wurde, sehen wir heute vielmehr als eine Einengung oder Verkehrung des Evangeliums. Unser Glaube ist ja dynamisch, d. h. auch immer im Zeit- und Kulturrahmen zu sehen (kontextuell) – und er entwickelt sich. Jesus sagt ja: Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen (Mt 5,17). Das war ja wohl für seine Zuhörer, besonders die Pharisäer und Schriftgelehrten, gewiss eine Zumutung – und vielleicht auch für viele heute. Aber es behält seine Gültigkeit. Was dies dann inhaltlich bedeutet, muss ebenfalls kirchlich – d. h. in der Gemeinschaft der Kirche – erhoben, bedacht und gelebt werden. Sonst taugt es nichts!

Unsere Vorstellungen von Gott
In einem Gedicht von Andrea Schwarz heißt es u. a.: „steh auf – ich will mit dir reden – spricht Gott – und dann reicht er mir sogar noch seine helfende Hand zum Aufstehen und wischt zärtlich den Dreck von meinen Knien“. Gott nimmt jeden so an, wie er ist. Er ist offen für jeden. Er zeigt sich uns in unterschiedlicher Gestalt und an unverhofften Orten. Jesus hat ihn uns als Vater dargestellt. Er handelt und behandelt uns wie ein guter Vater und stößt niemanden zurück. Wir dürfen uns also als Christen nicht besser begreifen als diejenigen, „die nicht zu uns gehören“. Im Gegenteil, wir sollten uns freuen über jeden, der auf die Stimme Gottes (im Innern) hört und danach handelt.

 

P. Heinz Schneider SVD