34. Sonntag im Jahreskreis (B) - Christkönig (H)

Predigtimpuls

„Seht euren König!“ (Joh 19,14)

1. Lesung: Dan 7,2a.13b-14
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Offb 1,5b-8
Evangelium: Joh 18,33b-37
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de
Oder: Joh 19,8-16a

„Seht euren König!“

Kreuz oder Krone
Über dem Kreuze Jesu stand die Aufschrift: König der Juden, und zwar in den damaligen ortsüblichen Sprachen. Alle sollten es lesen und verstehen können: mal wieder hat man einen Gernegroß gefasst und auf seinen Thron gesetzt. Eine grausame Ironie.

Im frühen Mittelalter stellte man den gekreuzigten Jesus mit langem Kleid und einer goldenen Krone dar. Man dachte an den feierlichen Hymnus der Passionszeit: Vom Kreuze herrschet Gott! Wer unbefangen an die Kreuzigungsszene herantritt, spürt das Furchtbare dieses Todes, den man nur Verbrechern zugedacht hat. Wollte man mit dem Königsmantel die Schmach verdecken?

Tatsache ist, dass Missionare in Indien mit dem Kreuze zunächst ihr Problem haben; die Leute sind entsetzt über solch einen Gott. Nicht anders war es im China des 17. Jahrhunderts, als der große Jesuit Mateo Ricci den Glauben an den Hof brachte. Mit dem Kreuz allerdings musste er eine Weile warten. Als sich hingegen die Bettelorden (Dominikaner und Franziskaner) mit dem Kreuz in der Hand auf die Marktplätze stellten und predigten, fanden sie kein Verständnis.

Wissen wir noch, was ein Kreuz ist? Wir tragen es ungeniert in Gold am Hals und bezeichnen uns mit diesem Zeichen, wenn wir beten oder den Segen spenden. Im Grunde ignorieren wir den Skandal des Kreuzes, von dem noch der Apostel Paulus zutiefst betroffen war. Zwar nannte er Jesus wenig mit seinem bloßen Namen, dafür aber unzählige Male mit Christus, das heißt Messias/Gesalbter, denn das war er seit seiner Auferstehung. Doch vom Kreuzesgeschehen weiß er zu berichten, dass viele seiner Hörer dies für etwas Unverständliches oder für einen Skandal hielten (1Kor Kap. 1 und 2). Er selber sieht darin die Weisheit Gottes, der mit dem Gehorsamstod seines Sohnes die Welt zur Einsicht über deren Sünde brachte und zur Änderung ihres Lebens. Dafür hat Jesus die Herrlichkeit verdient.

Unser Spiegelbild
Jesus war also gekommen, um uns zu erlösen. Diese Tatsache umfasst zwei wesentliche Aspekte: unsere Sünde musste aufgedeckt/entlarvt werden, und Gottes rettende Liebe in ihrer ganzen Großmut zu Tage treten.

Daher zunächst die Frage: Was haben wir mit dem Ebenbild Gottes, nach dem wir geschaffen wurden, gemacht? Die Bibel antwortet darauf mit der wahnsinnigen Aussage: Die Menschen wollten sein wie Gott und an seiner Stelle über Gut und Böse entscheiden (Gen 3,5). Mit diesen Worten wird das Wesen der (schweren) Sünde umschrieben und zugleich ihre Lächerlichkeit angedeutet. Man denke nur. Der Mensch aus Erde will ohne Gott, den Schöpfer und Erhalter, sein Schicksal gestalten und wissen, was für ihn gut oder schlecht ist.

Wie das aussieht, wenn Gott nicht anerkannt wird, schildert die Bibel ebenfalls. Zunächst erschlägt Kain seinen Bruder Abel, weil er nicht - so sagt es der Text - frei zum Himmel schauen konnte (4,7). Damit aber hatte das Sündigen begonnen. Bald war das Sinnen der Menschen nur auf Böses gerichtet (6, 5). Die vernichtende Sintflut brachte auch keinen Wandel, wie der Turmbau zu Babel zeigt. Keiner verstand vor lauter Stolz mehr den anderen (11,1-9).

Von dem herrlichen Ebenbild Gottes war eigentlich nicht mehr viel übrig. Dies zu erneuern war Jesus gekommen, mehr noch, er wollte uns zu Kindern Gottes machen. Dies war eine frohmachende Botschaft. Die Leute waren begeistert davon. Die kleinen Leute vor allem bekamen wieder Hoffnung. Sie spürten, dass Gott zu ihnen kam, dass sein Reich durch Jesus errichtet wurde, und dass nun die Herrschaft des Bösen gebrochen war. Doch dieses Gefühl war nicht tief in ihr Herz gedrungen; es war nicht zu einer Umkehr gekommen; man wollte nur ein besseres Leben als bisher; man liebte immer noch Besitz, Ehre und Vergnügen. Und weil Jesus ihnen dieses gemächliche Leben nicht geben konnte noch wollte, kam er m Ungnade bei den Leuten und wurde ans Kreuz geschlagen. Pilatus konnte (ohne es begriffen zu haben) sagen: Seht, das ist der Mensch! Jesus, das Spiegelbild des Menschen in seiner Erniedrigung. Das hehre Gottesbild, das er darstellte, konnten sie nicht ertragen. Und so projizierten sie ihre bösen Gedanken und Gefühle auf ihn und machten ihn zum Verbrecher. Er ließ es zu und vergalt unsere Schuld mit einer weltumfassenden Liebe. Er überwindet die Sünde; er macht wieder echte Gottesbilder und widerlegt den Stolz, sein zu wollen wie Gott.

Das Lamm ist würdig aller Ehre und Macht
Der Gekreuzigte ist für den Apostel Johannes der von Gott Erhöhte und Verherrlichte, der aller Ehre würdig ist. Unter dem Bild des Lammes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt – so hatte der Täufer es vorausgesagt – erscheint Jesus nun als der Christus/Messias/König, dem Macht und Reichtum, Weisheit und Kraft, Ehre und Herrlichkeit und Herrschermacht gebührt für alle Ewigkeit (Eröffnungsvers). Als der Auferstandene ist Jesus Christus der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde. Für uns aber ist er derjenige, der uns liebt, uns von unseren Sünden reinigt, ja sogar uns zu Königen macht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater. Ihm rufen wir daher zu: Dir sei Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit. Amen. (2. Lesung)

Somit ist er im Himmel unser Anwalt, der die Male seiner Kreuzigung als Zeichen seiner ewigen Zuwendung zu uns trägt. Die ihn durchbohrt haben, werden jammern und klagen, denn sie haben das Ziel ihres Lebens verfehlt, falls sie nicht die Umkehr zu Gott vollzogen haben.

Dieser Gott aber ist der eigentliche König der Welt, das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ziel aller Dinge, der einmal kommt, um Herrscher zu sein über die ganze Schöpfung. Für ihn hat Jesus in seinem Leben Zeugnis abgelegt und wurde unser Herr und König. Ihm verdanken wir alles. Durch ihn sind wir Kinder des himmlischen Vaters, dem das Reich gebührt und die Kraft und die Herrlichkeit. Amen.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Bettscheider verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1991; S. 471-473]

 

P. Dr. Heinrich Dumont SVD