Pfingstmontag (B)

Predigtimpuls

Die Liebe zur Kirche, eine Gabe des Gottesgeistes

1. Lesung: Apg 8,1b.4.14-17
Oder: Ez 37,1-14;
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 1,3a.4a.13-19a
Evangelium: Lk 10,21-24
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Unter den Zeichen von Feuer und Sturmwind fiel am fünfzigsten Tage nach dem Osterfest der Geist Gottes in die Herzen der jungen Gemeinde. Damit erfüllte sich die Zusage Jesu vor seiner Himmelfahrt: „Ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet“ (Lk 24,48 ff). Am ersten Pfingstfest beginnt die am Kreuz von Christus gestiftete Kirche zu leben. Pfingsten wird daher zu Recht als der Geburtstag der Kirche bezeichnet. Der Heilige Geist, der der Kirche das Leben einhaucht. Ist darum ihr Lebensprinzip (Augustinus).

Die Kirche muss aus dem Heiligen Geist leben und in ihm und durch ihn sich ständig erneuern. Er hält sie in der Wahrheit, er heiligt sie und alle ihre Glieder, er weist sie auf den rechten Weg des Zeugnisses in Glaubensverkündigung und Diakonie. Ohne ihn vermag sie nichts. Wer sich zur Kirche bekennt, bekennt sich damit immer auch zu ihr als dem Werk des Heiligen Geistes.

Für manche Zeitgenossen ist die Kirche zu einem ständigen Stein des Anstoßes geworden: im Grunde war sie dies zu allen Zeiten. Die Kette der Kirchenkritik scheint heute nicht abreißen zu wollen: Waren es zunächst die Fragen um den Petrusdienst und die Vollmacht des Papstes, um die drängenden Probleme in Ehe und Geschlechtlichkeit, so sind es heute das Bußsakrament, die Rolle der Frau in der Kirche und der Streit darum, wer denn nun in der Kirche zu sagen habe. Vom Dienenwollen für andere spricht kaum noch einer. Manche Christen haben der Kirche lautlos den Rücken gekehrt und sie meinen, mit Ausnahme von Geburt, Hochzeit und Tod gehe es auch ganz gut ohne sie. Man muss zu Zeiten den Eindruck gewinnen, als werde in der Kirche (und um sie herum) nur noch gestritten, kritisiert und kaum noch gebetet. Zumindest wollen es uns so manche sich in dieser Hinsicht hervortuende Medien so glauben machen. Und die Namen der selbsternannten Propheten wechseln von Tag zu Tag wie die Mode.

Wir Christen haben keinen Grund zu leugnen, dass es in der Kirche Licht- und Schattenseiten gibt. Die Kirche ist keine Elite-Kirche ohne Fehl und Makel, sie ist die Kirche der Sünder, die alle miteinander – uns eingeschlossen – der Vergebung bedürfen. Zu ihr gehören „die Armen und Krüppel, die Blinden und Lahmen“ an den Wegen und Zäunen des Lebens (vgl. Lk 14,21-23). Für alle diese Menschen – uns eingeschlossen – gilt: Die Kirche ist unsere Mutter – und eine Mutter schlägt man nicht, sondern erweist ihr Liebe und Zuneigung.

Die Liebe zur Kirche ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Er ist es, der der sichtbaren Kirche die Kraft zur Reinigung und steten Erneuerung auf dem Weg ihrer irdischen Pilgerschaft gibt. Eine Kirche, die in der Kraft des Heiligen Geistes ein weithin leuchtendes Zeichen des Glaubens und der Hoffnung gibt, hat auch in der Welt von heute und von morgen Entscheidendes, Notwendiges und Heilendes zu sagen. 

Wir bekennen uns zu diesem Heiligen Geist, der die Liebe selber ist, im Glaubensbekenntnis, wenn wir sprechen: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht.“ Damals wie heute belebt er alles, hält er alles zusammen und lenkt alles: Ohne sein Wirken könnte die Kirche nicht bestehen. Das zeigen uns die biblischen Sinnbilder für das Wirken des Heiligen Geistes: als Taube, als Feuer und als „Finger Gottes, der uns führt“ (GL 245, 3). Das Pfingstfest will nicht nur fromme Erinnerung an damals geschehene Ereignisse sein. Hier und heute will es vielmehr Wirklichkeit werden lassen, wessen wir alle in der Kirche so dringend bedürfen: der lebenspendenden und erneuernden Kraft des Heiligen Geistes. Erneuern wir heute vor allem unsere Liebe zur Kirche. Sie ist und bleibt unsere Mutter. Vom Hl. Augustinus stammt das bedenkenswerte Wort: „In dem Maß, in dem einer die Kirche liebt, in dem Maß hat er den Heiligen Geist.“

 

[Anmerkung der Redaktion: Die von Prof. Benning verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1997/; S. 190f]


Prof. Dr. Alfons Benning