4. Fastensonntag (C)

Predigtimpuls

Ein Fest feiern

1. Lesung: Jos 5,9a.10-12
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Kor 5,17-21
Evangelium: Lk 15,1-3.11-32 [Lk 15,1-32 – Predigt]
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Die Evangelientexte sind uns vertraut, wir meinen sie zu kennen. Alle drei Gleichnisse sprechen davon, dass etwas verlorengeht: das Schaf, die Drachme und der Sohn. Alle drei Gleichnisse sprachen davon, dass die Bilder für den Menschen sind, der in die Ferne geht, der aber umkehrt und heimfindet zu Gott. Es ist von Schuld die Rede und von der Umkehr. Und am Ende jedes Gleichnisses wird von der Freude und dem Fest gesprochen.

Es geht um unser Leben, um unseren Alltag, aber dennoch sperren wir uns davor; denn uns fehlt das Gespür und das Erleben von Schuldigsein und damit auch für Umkehr. Dennoch wissen wir, dass es mit uns nicht stimmt.
Ein Märchen aus Afrika, genauer aus Ghana, kann uns helfen zu sehen, wo bei uns die Schuld beginnt, wo bei uns Egoismus ins Leben brechen und uns vereinsamen und unfroh machen kann. Wo wir uns von der Gemeinschaft trennen, der Familie, wo wir uns und unseren Vorteil suchen und nicht die anderen sehen. Nur mit den anderen zusammen können wir das Fest feiern, unser Leben in voller Buntheit und Fülle erleben.

In einem Urwald lebten einmal fünf Vögel nahe beieinander. Der erste Vogel hatte weiße Federn, der zweite blaue, der dritte war rot, der vierte gelb und der fünfte so grün wie die Blätter. Jeder der fünf Vögel konnte ein kurzes Lied. Weil jeder der Vögel nur eine Farbe hatte und nur ein kurzes Lied singen konnte, hatten sie sich zusammengetan. Mittags, wenn die Sonne ganz von oben zwischen den Blättern der Urwaldbäume herniederschien, flogen sie gemeinsam zur großen Lichtung der Menschen, sangen und tanzten vor dem Haus eines Bauern. Jeden Tag trat der Bauer aus seinem Haus und rief: „Da seid ihr ja wieder, meine lieben Vögel: So herrlich bunt seht ihr aus, und ihr singt so wunderschön.“ Er streute ihnen reichlich Futter hin. So hatten alle Vögel genug zu fressen.

Eines Morgens aber hatten sie alle, ohne es voneinander zu wissen, den gleichen Gedanken. „Wenn ich allein zum Bauern fliege, vor ihm singe und tanze, bekomme ich das ganze Futter für mich und brauche es nicht mit den anderen zu teilen.“ Der weiße Vogel flog zum Haus des Bauern und flötete sein Lied. Als der Bauer den kläglichen Gesang hörte, rief er: „Warum dieses alberne Gepiepse?“ Er streute nicht ein einziges Korn und scheuchte den weißen Vogel zurück in den Wald. Es kam der blaue Vogel, der rote, der gelbe und endlich am Abend der grüne Vogel. Aber alle erhielten nichts zu fressen. Alle fünf mussten hungrig einschlafen und waren sehr traurig.

Am nächsten Tag erzählten sich die Vögel, wie es ihnen ergangen war. Schließlich sagte der grüne Vogel: „Wenn wir zusammen hinfliegen und unsere Lieder singen, wird sich der Bauer sicher freuen und uns wieder füttern.“ Als die Sonne hoch am Himmel stand, flogen die fünf wie früher zur Lichtung der Menschen, tanzten und sangen. Da trat der Bauer höchst erfreut aus dem Haus und rief: „Da seid ihr ja wieder, meine lieben Vögel! Wie habe ich euch gestern vermisst! Wo seid ihr nur gewesen?“ Er streute ihnen viel gutes Futter hin und alle Vögel wurden satt.

Es wird in den Evangelientexten und in der afrikanischen Erzählung sehr deutlich, dass wir nur im Offensein zum anderen und in seiner Gemeinschaft die Freude des Festes erleben können. So wird aber in den Evangelientexten mehr ausgesagt, dass in unserem Schuldigsein uns Gott wie ein Vater nachgeht, sich wie eine Mutter um uns sorgt. Er ist es, der Verzeihen und Versöhnung schenkt.

Was wäre das Gleichnis vom verlorenen Sohn ohne den, der es erzählt und die Barmherzigkeit des Vaters in seiner Person vergegenwärtigt? Es würde zu einer rührenden Novelle werden, zu schön, um wahr sein zu können. Wenn die Person Christi als die Deutung seiner Worte und Taten fortgelassen wird, wenn „nur der Vater, nicht aber der Sohn ins Evangelium“ soll, so blieben die Taten undurchsichtig und die Worte werden zum Anlass von Missverständnissen. So sind Wesen, Weg und Ziel der Erlösung nur durch die Eigenschaften seiner Person zu umschreiben: Er ist der Herr und Bruder, König und Gefährte, Gottessohn und Menschensohn, die Zeit in Händen haltend und sich in die Zeit begebend. Alle diese Begriffe und Worte drücken seine Person und zugleich auch das geschenkte Heil aus.

Das negative Gegenbild wird uns am älteren Bruder des verlorenen Sohnes deutlich. Es wird dadurch nochmals die afrikanische Erzählung aufgegriffen. Seine Lebensschuld ist, dass er nicht lieben kann. Er hat seinem Vater treu gedient, ist in keiner Fremde verkommen und intakt wie ein Pharisäer. Das väterliche Erbarmen aber gegenüber dem entfremdeten jüngeren Bruder lässt ihn nicht „mitschwingen“; er bleibt kalt, ohne jede Regung der Liebe und wird sogar eifersüchtig. Weil er so auf sich selbst zentriert ist, liebt er nicht, d.h. er ist nur für sich selbst und nicht für die anderen da. So wird in hintergründiger Ironie der scheinbar so evidente Sinn dieses Gleichnisses ins Gegenteil verkehrt. Lieblosigkeit kennt keine Trauer, kennt keine Buße und keine Sehnsucht nach den Ursprüngen. So kann er auch nicht umkehren und den Weg ins Heil gehen. „Der Vater aber sagte … Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen ein fröhliches Fest zu feiern.“

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Rzepkowski verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1992; S. 350-351]

 

P. Dr. Horst Rzepkowski SVD