Heiliger Augustinus Zhao Rong, Märtyrer

Predigtimpuls

Neue Kraft aus dem Glauben

Lesung: 1Joh 5,1–5
Evangelium: Joh 12,24–26

Liebe Schwestern und Brüder!

Ist ein Martyrium – wie das des heiligen Augustinus Zhao Rong und der Märtyrer in China, deren Gedenktag wir heute begehen – heutzutage noch zu verantworten? Macht es in unserem Zeitalter noch einen Sinn für jemand zu sterben, sein eigenes Leben für etwas, was man glaubt, hinzugeben? Werden die Märtyrer heute nicht etwa als Heilige aus der Vergangenheit betrachtet, deren Mut man vielleicht noch bewundern kann, deren Entscheidung, am Glauben trotz allem festzuhalten, aber unverständlich bleibt und kein Vorbild für uns ist?

Vielleicht muss man es ja nicht so ernst und kompromisslos nehmen mit dem Glauben. Und das eigene Leben soll man ja schon auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Das Leben ist ja das Wichtigste. Vor allem mein Leben, meine Selbstentfaltung, meine Selbstverwirklichung. Bei Schwierigkeiten kann ich ja meinen Glauben stillschweigend für mich selbst behalten.

Die Welt des heiligen Augustinus Zhao Rong und der 120 Märtyrer in China scheint sich sehr stark von unserer Welt zu unterscheiden. Diese Märtyrer der drei letzten Jahrhunderte haben nämlich – warum auch immer – einen Sinn und Wert darin gesehen, ihren Glauben an Jesus Christus zu bezeugen – und wenn es nötig war, scheuten sie nicht, dafür sogar ihr Leben zu verlieren. Was hat sie bewegt? Was hat ihnen Kraft gegeben? Was für einen Sinn hatten sie gesehen, dass sie am Glauben bis zum Ende festhielten?

Für mich hat der heilige Augustinus Zhao viel mit dem heiligen Paulus gemeinsam, obwohl er tausende Kilometer von Tarsus entfernt in der chinesischen Provinz Sichuan im 18. Jahrhundert geboren wurde. Ähnlich wie Paulus nahm Augustinus in seiner Jugendzeit an der Verfolgung der Christen teil. Als Soldat und Gefängnisaufseher hat er zahlreichen chinesischen Christen und ausländischen Missionaren viel Leid angetan. Wie Paulus auf dem Weg nach Damaskus erlebte auch Augustinus seine Bekehrung, bewegt durch das Zeugnis der gefangenen Christen. Vom Christenverfolger wurde er zum eifrigen Missionar, Katecheten und Priester. Jahrzehnte lang hat er in Sichuan unermüdlich den Glauben verkündet, bis er im Alter von fast 70 Jahren bei einem Krankenbesuch während der Krankensalbung selbst gefasst wurde. Nach Foltern starb er, mit einem Stock totgeschlagen, hat aber den Glauben nicht verleugnen.

Unter den anderen 120 Märtyrern in China ist auch Agatha Lin, eine einfache chinesische Frau aus der Provinz Guizhou im Südwest-China, die in einer Zeit lebte, in der alles zu Grunde ging. Damals am Anfang des 19. Jahrhunderts schien für die Kirche in China alles verloren: die Christen wurden verfolgt, Missionare ausgewiesen, Priester getötet. Aber für Agatha, eine Frau, die ihr Leben Gott geweiht hatte, war diese hoffnungslose Zeit, die Gelegenheit zum Zeugnis. Sie übernahm Katechesen, zuerst in einer Mädchenschule, dann unter den Frauen in verschiedenen Gemeinden. Da sie eine Frau war, wurde sie zuerst von den Behörden toleriert. Das war ihr aber zu wenig. So begann sie das Volk der Miao zu evangelisieren – ein indigenes Volk, zu dem die meisten Han-Chinesen Abstand hielten – eine kleine Frau mitten in der Verfolgung der Kirche. Auch wenn sie am Ende als Märtyrerin starb, wurde sie doch zum Samen des neuen Lebens der Kirche in der ganzen Provinz Guizhou und für uns zum Beispiel, dass das Evangelium auch in einer scheinbar hoffnungslosen Zeit gelebt werden kann und muss; und dass ein Märtyrertod kein Scheitern ist, sondern ein neues Lebens aus dem Glauben hervorbringt.

Auch in unserer Zeit werden Christen verfolgt. Auch in der Welt von heute gibt es viele Märtyrer, obwohl die meisten nicht heiliggesprochen werden. Wir können sie aber kaum verstehen und ihr Martyrium können wir kaum nachvollziehen. Glücklicherweise leben wir in einem Teil der Welt, wo man den Glauben an Jesus Christus bezeugen kann, ohne die Gefahr, dafür getötet zu werden. Vielleicht ist es auch der Grund, dass wir manchmal den Glauben und das Glaubenszeugnis nicht hoch genug schätzen und dass unser Glaube oft nur wenig Kraft hat.

Wir brauchen neue Kraft aus dem Glauben. Wir brauchen einen Glauben, der lebt, den wir zu unserer Sache, zu unserem Leben, machen. Wir brauchen Menschen, die den Glauben an Jesus Christus und sein Evangelium leben, die ihn bezeugen, die auch im Ernstfall nicht versagen – auch wenn es das eigene Leben kosten kann – wie es im heutigen Evangelium heißt: „Wer an seinem Leben festhält, wird es verlieren. Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, wird es für alle Ewigkeit gewinnen.“

Wir sind dankbar für die heiligen Märtyrer in China, die den Glauben an Jesus Christus gelebt und diesen Glauben mit eigenem Tod bezeugt haben, denn sie zeigen uns, wie wertvoll unser christlicher Glaube ist. Und wir wollen selbst Gott um den Glauben bitten, der die Herzen der Menschen von der Eigensucht befreit und sie offen für Gott und Menschen macht. In der ganzen Welt. In China wie auch hier in Deutschland. Amen.

 

P. Dr. Piotr Adamek SVD