Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria

Predigtimpuls

Madonna in den Trümmern

1. Lesung: Gen 3,9-20
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 1,3-12
Evangelium: Lk 1,26–38
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Madonna in den Trümmern

Ob die Leute von Conception Island auf den Bermudas wissen, dass am 8.
Dezember ihr Festtag ist? Da wissen die Einwohner der Städte in Spanien und
Lateinamerika, die den Namen Concepcion tragen, schon eher Bescheid, ganz zu
schweigen von den Frauen, die dort an diesem Tag ihren Namenstag feiern. Gemeint ist „la concepcion inmaculada“, das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ – so der offizielle Name in der katholischen Liturgie. Es geht um Maria, auf ganz natürliche Weise von ihren Eltern gezeugt, von der Katholiken in langer Tradition jedoch bekennen, dass sie vom ersten Augenblick ihres Daseins von der „Erbschuld“ frei war.

Worum es eigentlich geht, kann eine kleine Episode aus den letzten Kriegstagen des II. Weltkrieges deutlich machen. Es geschah in Köln: Die Stadt sank unter den Bombenangriffen in Schutt und Asche, so auch die Kirche St. Kolumba in der Mitte der Stadt, nicht weit vom Dom entfernt. Nur, wie der Zufall es wollte, eine Säule dieser alten Kirche blieb stehen und an dieser Säule eine Marienstatue, rußgeschwärzt vom Brandqualm der Zerstörung, aber sonst heil geblieben im verheerenden Trümmerfeld. Sehr bald kamen die Menschen von Köln zu dieser Säule und zu diesem Marienbild, um vor der „Madonna in den Trümmern“ – wie sie sie sehr bald nannten – zu beten. Es war fast so, als ob die Menschen in all den Trümmern, die sie umgaben und die sie zu begraben drohten, froh waren, einen gefunden zu haben, der heil geblieben war und dass sie sich an diesem heilgebliebenen Ort, der „Madonna in den Trümmern“ gut aufgehoben wussten. Heute noch kann man in der wiederaufgebauten und erneuerten Kirche St. Kolumba diese rußgeschwärzte „Madonna in den Trümmern“ finden, und immer brennen Kerzen vor ihrem Bild und immer kommen Menschen aus dem Getriebe der Stadt zu diesem Bild, um hier in Stille zu beten.

Trümmer durch Erbschuld
Trümmer: Sie gehören scheinbar fast schicksalhaft zu dieser Welt, zu unserem Leben. Schon die ersten Seiten der Bibel berichten davon, als kurz nach der
Vertreibung aus dem Paradies die ganze Geschichte losgeht: Kain und Abel sind die ersten, und es hört nicht mehr auf bis heute; es ist zum Verzweifeln, die menschliche Geschichte ist eine Trümmerlandschaft. Es hat fast den Anschein, als sei in den Menschen etwas zerstört, was immer wieder Zerstörung hervorbringt. Irgendwann kommt in der Theologie der Ausdruck „Erbschuld“ dafür auf.

Auch in der heutigen Zeit haben wir viel mit Trümmern zu tun, zu viel, sei es dass
durch Kriege ganze Landstriche unbewohnbar gemacht werden, sei es, dass durch zerbrochene Beziehungen in den Seelen und Herzen der Menschen eine
Wüstenlandschaft sich breitmacht; Zerstörung, Trümmer – und man hat oftmals den Eindruck, machtlos zu sein, ausgeliefert.

Ein neuer Anfang
Der Festtag Maria Immaculata sagt: In Maria macht Gott einen neuen Anfang, sie
ist von Anfang an frei von der „Erbschuld“, heil geblieben in der Trümmergeschichte der Welt, um Jesus, das Heil der Welt, zu empfangen.

Die Madonna in den Trümmern, die heil gebliebene Maria, sie steht gegen die scheinbar endlose Trümmergeschichte, sie steht für uns und erinnert daran, dass auch in uns etwas ist, dass durch alles Böse in der Welt nicht zerstört werden kann: dass Gott uns geschaffen hat, dass er uns gewollt hat, dass er uns liebt. Wir müssten es uns ganz einfach gesagt sein lassen.

Die Welt, die Menschen, wir alle bedürfen heute mehr denn je der Heilung. Maria, ohne Erbschuld empfangen, die heile Madonna in den Trümmern, ist Zeichen der Hoffnung, dass das alles nicht ein frommer Wunsch bleiben muss, sondern dass es schon angefangen hat und darauf wartet, in uns und durch uns in dieser Welt zum Zuge zu kommen. Die Menschen bei der „Madonna in den Trümmern“ scheinen genau das bei ihr zu suchen und zu finden in allem Elend, in all dem Kaputten: Heil, Heiles, und Heilung durch Gott. Was auch immer geschieht oder geschehen ist in meinem Leben, in dieser Welt: Gott liebt diese Welt, Gott liebt auch mich, ganz persönlich. Worauf es ankäme wäre, sich das gesagt sein lassen, auch wenn es bisweilen schwer fällt, das zu glauben. An diesem Fest werden wieder viele bei der Madonna in den Trümmern in Köln sein und beten, aber man kann ihr überall begegnen, singen wir doch von Maria, dass in ihr das Heil der ganzen Welt begann.


[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Peters verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1997; S. 473-475]

 

P. Hans Peters SVD