22. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Eucharistie - das Mahl

1. Lesung: Sir 3,17-18.20.28-29 (19-21; 30-31)
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Hebr 12,18-19.22-24a
Evangelium: Lk 14,1.7-14

Während über Jahrhunderte hindurch der Akzent in der Eucharistiefeier auf dem Opfer lag, wurde besonders nach dem Zweiten Vatikanum der Mahl-Charakter mehr ins Zentrum gerückt. Symbolhaft wurde das dargestellt in der Art, wie man auf den Altar schaute. Der Opferaltar, meist aus Stein oder Marmor, stand fest an der Wand. Davor, mit dem Rücken zum Volk, stand der Priester, der das "Opferlamm" Gott, dem Vater, hinreichte. Die Gläubigen standen hinter dem Priester, der als ihr Stellvertreter dem himmlischen Vater das Opfer seines Sohnes als Sühne für unsere Sünden darreichte. Die Gemeinde, als Volk Gottes, bringt damit durch den Priester dem Vater das große Sühnopfer zur Erlösung der Welt dar.

Im Konzil wollte man dann den anderen Aspekt der Eucharistie bewusst wieder in den Vordergrund bringen, nämlich den Mahlcharakter, der durch Überbetonung des Opfergedankens in Vergessenheit geraten zu sein schien. Bildlich wurde das dann so dargestellt: Man rückte den Altar von der Wand ab und der Priester stand nun nicht mehr vor dem Altar, sondern hinter dem Altar mit dem Gesicht zum Volk gewandt. (Einige Priester empfanden das sehr schwer und ungewohnt.) Zwangsläufig wurde der Altar, der als Opferstein verstanden worden war, plötzlich zum Tisch, zum Sinnbild für Tisch-Gemeinschaft. Die Gläubigen wurden eingeladen, Tischgemeinschaft mit dem Herrn und miteinander zu feiern. Beide Arten haben ihre Berechtigung, nur wurde der Opfercharakter über Jahrhunderte überbetont.

Der Konzilstheologie ging es vor allem darum, die Eucharistie als die Vorwegnahme der endgültigen Tischgemeinschaft in der Vollendung im Himmel zu feiern. Das Bild für das, was wir mit Himmel meinen, wurde in Alten Testament vom Propheten Jesaja (Jes 26,6) als die Vision vom "Großen Mahle für alle Völker und Nationen" vorgestellt: die ganze Schöpfung um den einen Tisch versammelt, wo Gott der Herr selber mit uns feiert.

Jesus hat dieses Bild bewusst aufgegriffen und die Mahlgemeinschaften mit den Jüngern und den Randexistenzen verstanden als das schon jetzt sich mit ihm verwirklichende große Gastmahl am Ende der Tage bewusst gefeiert. So verstand es auch die Urkirche.

Wo immer nach Ostern eine christliche Gemeinde entstand, feierte man gleich von Anfang an das Herrenmahl. Man war sich voll bewusst, dass man hier dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn begegnete, der seine Gemeinde jetzt in dieser gegenwärtigen Feier schon Anteil nehmen lässt an jenem Hochzeitsmahl, das in seiner endgültigen Fülle noch ausstand. Das Herrenmahl wurde nicht am Freitag, dem Kreuzigungsstag Jesu, gefeiert, an dem er sein Leben als “Opfer” hingegeben hatte, sondern am Sonntag, dem Ostertage. Sie fanden sich zusammen, um den gekreuzigten vornehmlich als Auferstandenen zu feiern mit Jubelliedern und in dem Wissen, er war ja mitten unter ihnen als der Herr, der da lebt.

Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass das Herrenmahl im Vollzug einer richtigen Mahlfeier gehalten wurde. Man setzte sich an den Tisch, aß und trank, sang Hymnen und frohe Lieder. All das führe dann zur Mitte des Mahles, wenn man Brot brach und aus dem Kelch trank und den auferstandenen Herrn in der Mitte erfuhr. Die Bedeutung des Essens und Trinkens ging über den Tellerrand hinaus und ließ die Neue Welt dem Auge des Glaubenden als schon hereinbrechend sichtbar werden.

Das Mahl hatte immer besonders in den orientalischen Kulturen einen religiösen Charakter neben dem profanen Sinn von Essen und Hungerstillen. Das Mahl verbindet miteinander, es schafft Gemeinschaft, es versöhnt Menschen und wird Anlass zu Freude und gegenseitiger Annahme als Brüder und Schwestern. Es gab noch keine Imbissstuben oder Fastfoodbuden, wo der soziale Aspekt leicht verloren geht.

Dies gilt auch heute noch vor allem in den orientalischen Völkern und Gemeinschaften. Als Beispiel mag die folgende Geschichte dienen:

Vor Jahren bin ich einmal in Nordafrika mit einem Weißen Vater durch die Savanne gefahren. Wir erlitten eine Autopanne, die nicht zu reparieren war. Da es dunkel wurde, sorgte er sich, dass wir die Station nicht mehr erreichen würden und in der Wüste übernachten mussten. Wie er mir erzählte, war dies hier eine unsichere Gegend, bekannt durch Überfälle und Räuberei. Zumindest bis zur Wasserquelle sollten wir weitergehen, um dort den Morgen abzuwarten.

Endlich sahen wir die wenigen Bäume, die das Wasserloch umgaben. Drei Nomaden standen unter den Bäumen und blickten uns entgegen. Sie hatten ein Zelt aufgeschlagen, ein Feuer brannte davor, ein Kessel mit Tee darauf. Nervös gingen wir auf sie zu, aber zu unserer Überraschung begrüßte man uns mit "Salaam“, was wir mit Erleichterung erwiderten.

Mit einer Handbewegung lud einer uns ein, bei ihnen Platz zu nehmen. Nach einem beängstigend langen Schweigen reichte uns einer der Männer einen Fladen Brot herüber, ein anderer gab uns ein kleines Tütchen Salz, Brot und Salz – Zeichen des Friedens und der Gastfreundschaft. Wir brachen ein Stück ab und bestreuten es mit Salz. Auch die Männer nahmen, und wir aßen zusammen. Wie mir der Mitbruder zur Beruhigung versicherte, konnte jetzt uns nichts mehr passieren. Wenn das Brot miteinander geteilt wird, steht man unter dem Schutz des anderen. Brot verbindet.

Jesus wählte genau die Tischgemeinschaft, um seine Sendung in einem Bild und Gleichnis darzustellen. Seine Aufgabe vom Vater war es ja, dessen Traum mit der Welt, die er `Reich Gottes´ nannte, in die Welt zu bringen, oder besser, diese Welt in Gottes Welt umzuformen. Die Jesusgeschichte ist eine Tischgemeinschaftsgeschichte. Das Heil findet der Mensch nur in Gemeinschaft mit Gott und in Gemeinschaft mit den Mitmenschen. Strikt gesagt: rein individuell, losgelöst von der Gemeinschaft gibt es kein Heil, der andere ist immer mit gemeint.

Das einzige Bild für die Welt, die da kommen wird, ist biblisch das Große Hochzeitsmahl, das mit Jesus gekommen ist. Die zukünftige Welt wird beschrieben als ein großes Mahl, an dem die ganze Schöpfung an einem Tisch sitzt, versöhnt miteinander und wo Gott selber die Speise ist, die uns an seinem Leben teilnehmen lässt.

Gott ist in Jesus in diese Welt gekommen, ist selber Mensch geworden, in allem uns gleich. In seiner Auferstehung hat er diese Welt in seinem eigenen Leib schon zur Wirklichkeit werden lassen. In der Mahlgemeinschaft der Eucharistie wird diese Wirklichkeit greifbar, fassbar, erfahrbar. Das Brot, das wir essen, ist der Gekreuzigte und Auferstandene. Da wir eins werden mit ihm, nehmen wir jetzt schon an seinem großen Mahl der Endzeit teil. Wie es in der Anrufung vor der Kommunion heißt: "Selig sind wir, die wir jetzt schon teilnehmen dürfen am großen Hochzeitmahl des Lammes".

Dieses Neue Leben aber ist nicht nur Zukunft, sondern es bricht schon jetzt in unser irdisches Leben herein. Wir berühren sie und feiern sie schon im voraus unter dem Bild der Tischgemeinschaft mit Gott, die uns in der Eucharistie angeboten wird. Gott hat sich in dieser Welt eingebunden, er ist Teil von ihr geworden für alle Ewigkeit. Der Glaube, dass Gott diese Welt in sich hineingenommen hat, bestätigt unseren Glaube an die permanente Gegenwart in der Eucharistie nach der Wandlung. Bild dafür ist für uns Katholiken das ewige Licht in der Kirche, das wir vor dem Tabernakel brennen lassen.

Karl Rahner hat das einmal so ausgedrückt: Seit der Menschwerdung kann der Vater nicht mehr auf seinen Sohn schauen, ohne in ihm die ganze Schöpfung mit anzuschauen. Die Schöpfung ist durch den menschgewordenen Sohn mit hineingenommen in das Leben der Dreifaltigkeit.

Die Eucharistie ist daher das untrügliche und sicherste Zeichen, dass Gott in der Welt ist und dass er die Welt einmal umformen wird in den Neuen Himmel und die Neue Erde. Denn in diesem Brot vollzieht sich immer wieder von neuem, dass die Neue Welt bereits in die alte hereinbricht, denn hier wird der auferstandene Herr immer wieder gegenwärtig, bis zu dem Tag, an dem auch wir ihn als den verklärten und auferstandenen Herrn schauen, wie er ist, und der Schleier der Verborgenheit sich heben wird. Wie es im Lied des heiligen Thomas heißt:

„Gottheit tief verborgen, betend nah ich Dir. Unter diesen Zeichen bist Du wahrhaft hier. Lass die Schleicher fallen einst in Deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, Dein Angesicht“ (GL 497,1.7).

Jede Mahlzeit, die wir gemeinsam einnehmen, sollte uns eigentlich daran erinnern, denn etwas von dem, was Gott uns bereitet hat, wird hier dem Glaubenden sichtbar. Das kurze bekannte Tischgebet drückt das so aus: Herr, sei unser Gast und segne was du das bescheret hast.

In Zürich, wo ich als Student in den 60er Jahren in Rom jedes Jahr einen Pfarrer in seiner Urlaubszeit für sechs Wochen in seiner Pfarrei ablöste, erlebte ich eine Begegnung, die ich nie vergessen habe.

Einmal in der Woche lud mich der lutherische Pfarrer mit seiner Frau und zwei Kindern zum Mittagessen in seine Familie ein. Eines Tage kam ich zufällig bei ihnen vorbei an einem Tag, wo ich nicht erwartet wurde. Dabei sah ich, dass der Tisch schon für fünf Personen ausgelegt war, als ob man mich erwartete. Erstaunt fragte ich die Frau: "Aber ich komme doch heute nicht zum Essen, oder erwarten Sie einen anderen Besucher, da Sie den Tisch schon so schön für fünf Personen gedeckt haben?“

Da lächelte sie und sagte: "Nein, wir erwarten heute keinen bestimmten Besuch. Es ist nur eine uralte heilige Sitte in meiner Familie, dass wir immer ein Gedeck mehr auslegen, denn, wenn immer wir gemeinsam zu Tisch sitzen, soll der leere Teller uns daran erinnern, dass Christus bei jedem Mahl mit uns gemeinsam an unserem Tisch sitzt und uns daran erinnert, das jedes Mahl für uns Getaufte ein Vorgeschmack von dem ist, wozu wir berufen sind, einmal teilnehmen zu dürfen an seinem ewigen Hochzeitsmahl.“

Diese Geschichte kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich vor der Kommunionausteilung die Hostie hochhalte und laut sage: "Selig sind wir, die wir teilnehmen dürfen am großen Hochzeitsmahle des Lammes."

Die hoffnungsvolle Erwartung der Urkirche war, dass der Herr in einer solchen Feier wiederkommen würde. Da der Herr aber noch nicht in Fülle gekommen ist, könnten wir uns ja fragen: Warum denn dann immer wieder Sonntag feiern?

Ein wichtiger Grund ist (neben der Danksagung an Gott für dieses große Geschenk): Wir brauchen diese Tischgemeinschaft mit dem Herrn, damit wir immer wieder in unserem Glauben bestärkt werden, die Zukunft der Neuen Welt anfanghaft als schon gegenwärtig zu spüren und darin Zuversicht und Freude finden im Alltag, damit wir diesen Gauben auch leben können.

Im Hebräerbrief (Hebr 11,1) wird Glaube so definiert: Glauben heißt: festhalten, dass Gott seine Verheißungen mit 100 % Sicherheit erfüllen wird, und zweitens, dass die erhoffte und ersehne Neue Welt schon existiert und uns jetzt schon berührt.

Um an diesem Glauben in der heutigen Welt festhalten zu können, bedarf es der ständigen Begegnung mit dem Herrn, eines Berührtwerdens von ihm. Genau diese Begegnung und Berührung wird uns in jeder Eucharistiefeier als das tiefste Geheimnis unseres Glaubens zugesichert.

Ich möchte schließen mit einem Satz von Papst Benedikt XVI., der Christsein heute so umschrieb: "Der Christ heute ist ein Mensch, der hinter dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn hergeht und das Osterhalleluja singt." Das heißt, ein Mensch, der in der heutigen oft so schrecklichen und gottvergessenen Welt lebt, aber nicht vergisst, dass die Neue Welt mit Sicherheit kommen wird, weil sie schon durch die Auferstehung Jesu Wirklichkeit geworden ist und wir jeden Sonntag in der Eucharistie eine Vorwegnahme dieser Neuen Welt in der Eucharistie im Glauben geschenkt bekommen.

 

P. Johannes Füllenbach, SVD