23. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

„Ich träume von einer Kirche“

1. Lesung: Weish 9,13-19
Zwischengesang: www.antwortgesang.de
2. Lesung: Phlm 9b-10.12-17
Evangelium: Lk 14,25-33

Zu Herrn K. kam ein Philosophieprofessor und erzählte ihm von seiner Weisheit. Nach einer Weile sagte Herr K. zu ihm: "Du sitzt unbequem, du redest unbequem, du denkst unbequem." Der Philosophieprofessor wurde zornig und sagte: "Nicht über mich wollte ich etwas wissen, sondern über den Inhalt dessen, was ich sagte." "Es hat keinen Inhalt", sagte Herr K. "Ich sehe dich läppisch gehen, und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst. Du redest dunkel, und es ist keine Helle, die du während des Redens schaffst. Sehend deine Haltung, interessiert mich dein Ziel nicht."

Immer wieder bin ich im Laufe der Jahrzehnte meines pastoralen Wirkens auf diese Keuner-Geschichte von Bertolt Brecht gestoßen. Und jetzt eben wieder – nicht nur, aber halt insbesondere in der Vorbereitung auf diesen Gottesdienst. Denn wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach der Haltung durch die heutigen Schrifttexte, genauer gesagt nach einer weisen Haltung. Im Evangelium geht es um das planvolle, entschiedene Agieren in der Nachfolge Jesu, in der ersten Lesung um das Erkennen, ja Verinnerlichen des göttlichen Plans. Und dann steht dazwischen noch dieser Abschnitt aus dem kürzesten Buch des Neuen Testaments, gerade mal ein Kapitel mit 25 Versen umfassend: der Philemonbrief. Er bringt in aller Kürze auf den Punkt, worüber sich der Verfasser des Buches der Weisheit und der Evangelist Lukas sich in teils epischer Breite philosophisch und theologisch auslassen – und das im Rahmen einer sehr persönlichen Angelegenheit.

Im Zentrum dieser sehr persönlichen Angelegenheit steht Onesimus, das heißt übersetzt „der Nützliche“. Ein passender Name, wie es scheint, für das, was er ist: ein Sklave. Philemon hat ihn gekauft, ihm soll er also nützlich sein. Das war er aber offensichtlich nicht, denn er war weggelaufen und zu Paulus geflüchtet. Es ist anzunehmen, dass Onesimus sich das gut überlegt hatte, zu wem er geht. Er kannte Paulus, weil der seinen Herrn Philemon vom christlichen Glauben überzeugt hatte und seither von Philemon sehr geschätzt wurde. Vielleicht nahm er an, dass Paulus ihm ein starker Anwalt sein könne, und den hatte er wahrhaftig nötig in seiner Situation. Denn die war alles andere als gut. Als entflohener Sklave drohte ihm die Todesstrafe. Deshalb war es Onesimus klar und Paulus auch: Philemon hatte nach dem Gesetz ein Anrecht darauf, dass sein Sklave ihm wieder übergeben wird, damit er mit ihm verfahren konnte, wie es das Recht vorsah. Was Paulus also erbittet, ist etwas, was so nicht vorgesehen war. Paulus weiß das, deshalb bittet er auch und verlangt nicht. Seine Argumentation: das, was Philemon passiert ist, hat auch Onesimus erfahren, auch er ist Christ geworden. Mit anderen Worten: Onesimus hat einen neuen Herrn gefunden – Jesus Christus. Und weil er jetzt zu Christus gehört, ist er nicht mehr Sklave, auch nicht mehr der Sklave des Philemon, sondern sein Bruder. Wenn also Onesimus, wozu er auch angesichts drohender Strafmaßnahmen bereit ist, zu Philemon zurückkehrt, dann sollte dieser ihn mit anderen Augen sehen, dann sollte er den Bruder in ihm erkennen. Natürlich könnten wir an dieser Stelle eine Diskussion aufhängen zum Thema „Sklavengesellschaft“ oder „Sklaverei contra Evangelium“, denn auch in unserer Zeit ist das noch aktuell. Ich möchte aber unseren Focus zurücklenken auf unsere Frage nach der „Haltung“. Kehren wir deshalb noch einmal zurück zur Argumentation des Paulus: Dadurch dass Onesimus weggelaufen ist, ist er für Philemon nicht mehr das, was sein Name besagt – nützlich. Im Gegenteil, er ist so zu nichts nutze – dem Philemon. Ganz anders sieht das mit Blick auf Paulus aus: Für ihn ist er sehr nützlich, deshalb möchte er ihn gern behalten, damit, so haben wir gehört, „er mir … dient, solange ich um des Evangeliums willen im Gefängnis bin.“ So kann Onesimus wieder zu dem werden, was er sein soll, sein will: nützlich.

Onesimus – haben wir das nicht alle zu sein? Ist das nicht die Haltung, auf die es ankommt, wenn wir als Christinnen und Christen Gehör finden, wahrgenommen, ernstgenommen werden wollen, wenn wir nicht wollen, dass es uns ergeht wie dem Philosophieprofessor in der eingangs erzählten Geschichte? "Ich sehe dich läppisch gehen, und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst. Du redest dunkel, und es ist keine Helle, die du während des Redens schaffst. Sehend deine Haltung, interessiert mich dein Ziel nicht." Das hat der Professor zu hören bekommen und damit eine deutliche Schlappe kassiert. Ich fände es schrecklich, wenn ich das zu hören bekäme. Ich möchte das weder vor Gott noch vor anderen und auch nicht vor meinem Gewissen verantworten müssen. Und ich möchte das auch nicht für die Kirche. Deshalb berühren mich immer wieder aufs Neue Worte des ehemaligen Generaloberen der Jesuiten, Pedro Arrupe, die er als Gebet formuliert hat:

Gott,
ich träume von einer Kirche,
die immer neue Wege zu den Menschen sucht
und erprobt mit schöpferischer Phantasie,
die die frohe Botschaft frisch und lebendig hält.
Ich träume von einer Kirche,
die offen ist für das Anliegen Christi
und sich deshalb interessiert für das Leben der Menschen
und für die Erneuerung der Welt
im Geiste Jesu.
Ich träume von einer Kirche,
die eine Sprache spricht, die alle verstehen,
auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene,
in der sich auch alle spontan und lebendig
ausdrücken können,
die Raum lässt für Initiative und Mitentscheidung.
Ich träume von einer Kirche,
die prophetisch ist
und die ganze Wahrheit sagt,
die Mut hat, unbequem zu sein
und die unerschrocken das Glück der Menschen sucht.
Ich träume von einer Kirche,
die Hoffnung hat,
die an das Gute im Menschen glaubt
und die gerade in einer Welt voll Furcht und Verzweiflung
voll Freude auf Gottes Führung baut.
Gott,
hilf mir, dass ich an dieser Kirche mit bauen kann.

So stelle ich mir eine nützliche Kirche vor. So eine Haltung wünsche ich mir für die Kirche. An so einer Kirche möchte ich gerne mitbauen – entschieden, bewusst und weise.

 

Maria Gleißl, Pastoralreferentin