31. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Der Freund unseres Lebens (1. Lesung)

1. Lesung: Weish 11,22-12,2
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Thess 1,11-2,2
Evangelium: Lk 19,1-10

Fast kein Tag vergeht, an dem wir nicht von Konflikten und Gewalttaten vernehmen. Und selbst wenn sie auch fern von uns ausgetragen werden, so werden wir schon auf Grund der menschlichen Solidarität mit den unschuldigen Opfern aufs tiefste berührt und fühlen auch eine Bedrohung, die uns selber trifft. Vielleicht ist es nicht einmal nur die Erfahrung von Terror und Gewalt, was unsere Freude am Leben stört. Schon die unsichere wirtschaftliche, politische und soziale Lage im eigenen Land kann dazu führen, dass jemand nur noch mit Beklemmung in die Zukunft schaut.

Ob in dieser Unsicherheit der Glaube an Gott und seine Gegenwart wohl eine Hilfe bedeutet? In der ersten Lesung aus dem Buch der Weisheit hörten wir: „Herr, Du liebst alles, was ist, und schonst alles, weil es dein Eigentum ist. Du Herr, bist ein Freund unseres Lebens, denn in allem ist dein unvergänglicher Geist“. Ist das nun Wirklichkeit oder nur Ablenkung? Das Buch der Weisheit ist wohl das jüngste der Bücher des Alten Testaments. Es ist im letzten vorchristlichen Jahrhundert unter griechisch gebildeten Juden in der hellenistischen Metropole Alexandrien in Ägypten entstanden. Der Urtext ist griechisch, nicht hebräisch. Er gehört also zu den wenigen Büchern, die in der katholischen Kirche immer zum Bestandteil der Heiligen Schrift gehört haben, von der reformatorischen Kirche jedoch nicht in den Kanon der Heiligen Schriften aufgenommen wurden. In dem Buch äußert sich das Ringen einer von religiöser Tradition geprägten Gemeinschaft um die Geltung und den Bestand ihres Ein-Gott-Glaubens in einer Welt, die keine Gottesfurcht kennt, sondern sich der Profitsucht und dem Hedonismus ohne soziale Rücksichten verschrieben hat.

Gott ist der Freund unseres Lebens. Ein solcher Glaube zeugt von großer Reife und tiefer religiöser Erfahrung. Zugleich wird aber auch die Gefahr, welche die eigene menschliche Schwäche und Sündhaftigkeit mit sich bringt, bis ins Mark gespürt. Der schwache Mensch meint ja immer anderswo eine unverlierbare Sicherheit suchen zu müssen und nicht bei Gott. Und doch verdankt der Mensch alles, was ihn wirklich groß macht, allein dem liebenden Entgegenkommen eines verständigen Gottes. Der Blick auf Gott bringt eine ganz neue Sicht in seine zerbrechliche Existenz. Es sind nicht mehr die äußeren, sich wandelnden Ereignisse, welche über Angst und Vertrauen, Glück und Unglück des Menschen bestimmen. Im Innern des Menschen geschieht vielmehr ein Wandel. Er findet zu seinem Ursprung zurück, zu einem Leben mit Gott, das unzerstörbar ist und sicherer als alle Verträge, Versicherungen und Garantien, die Menschen zu geben vermögen.

Wie konkret und wirklich dies alles sein kann, und wie ernst es Gott mit seiner Liebe zum Menschen meint, hat uns unmissverständlich Jesus selbst in Wort und Tat gezeigt. Wer hat diese Wahrheit deutlicher an sich erfahren als gerade der Mann namens Zachäus, von dem das heutige Evangelium berichtet. Als Zöllner wird er von den Menschen als Sünder und gemeiner Halsabschneider gemieden und ausgegrenzt. Die Begegnung mit Jesus bringt einen totalen Wandel in diesen Menschen. Der Kommentar Jesu auf die Vorwürfe der Pharisäer ist einfach, gezielt und aus der Sicht Gottes gesprochen: Was verloren ist, muss gerettet werden. Auch der Steuereinnehmer Zachäus ist ein Sohn Abrahams, sagt Jesus als Begründung für die Freundschaft, die er ihm anbietet. Auch er ist es wert, gerettet und aus der Macht des Bösen befreit zu werden zu einem neuen Leben für Gott und den Nächsten. Das ist der Wille Gottes und Jesu eigener Auftrag. Ohne viel zu reden, bricht Jesus die Vorbehalte und Vorwürfe der damaligen Gesellschaft gegen die verachteten Zöllner auf. Er schenkt Zachäus seine Nähe und schafft einen Lebensraum des Verstehens und der Versöhnung. Alles wird neu, nichts bleibt beim Alten. Es kommt zu einer wirklichen Umkehr und Zachäus ist bereit, was immer er an Unrecht den Mitmenschen zugefügt hat, mehr als doppelt wiedergutzumachen. Jesus aber nimmt das Risiko, als Freund der Sünder und Asozialen missverstanden zu werden, voll in Kauf.

Der Hörer des Evangeliums stellt sich da die Frage: Wie gehe ich mit den Schattenseiten meines eigenen Lebens um? Nehme ich Schuld und Versagen in die Begegnung mit Jesus oder gehe ich der eigenen Schuld und auch Jesus aus dem Weg, gehe aber im gleichen Atemzug mit den anderen oft gnadenlos ins Gericht? Wie leicht lässt sich das Verhalten des Menschen von Voreingenommenheit und Vorurteilen bestimmen? Ein amerikanischer Bischof erzählte einmal ein Vorkommnis aus der Zeit, als man noch per Schiff nach Europa fuhr. Als er an Bord des Schiffes ging, stellte er fest, dass er die Kabine mit einem anderen Passagier zu teilen hatte. Als er alles in Augenschein genommen hatte, ging er zum leitenden Steward zurück und fragte, ob er seine goldene Uhr und andere Wertsachen im Safe des Schiffes aufbewahren lassen könne. Er gab noch zu verstehen, dass er so etwas gewöhnlich nicht tue, aber wo er jetzt die Kabine gesehen habe und den Mann, der sie mit ihm teilen solle, der aber dem Aussehen nach zu urteilen, als nicht sehr vertrauenswürdig erscheine, fühle er sich dazu gezwungen, so zu handeln. Der Steward übernahm gerne die Verantwortung, die Sachen des Bischofs in Verwahr zu nehmen und meinte noch dazu: „Alles in Ordnung, Herr Bischof. Es ist mir eine angenehme Pflicht, für Ihre Sachen Sorge zu tragen. Ihr Kabinenkollege war eben auch schon hier bei mir, um auch seine Sachen aus demselben Grunde bei mir zu deponieren.“

In der Begegnung mit Jesus sich selbst neu zu sehen und zu schätzen, ist befreiend. Jesus steht für die Wahrheit, dass Gott der Freund unseres Lebens ist. Er sieht mehr als nur die Fehler, Unzulänglichkeiten und Schattenseiten. Für ihn ist unser Leben ungeheuer kostbar. Was immer uns beengt, belastet und beängstigt, können wir vertrauensvoll in seine Hände legen. Alles kann neu werden. Der Bann der Vorstellung: „Es bleibt doch alles beim Alten“ wird gebrochen. Der ‚neue Mensch‘, wie der heilige Paulus ihn einmal nennt, nimmt dann in seinem Verhalten zu den Mitmenschen ebenfalls Maß an dem, was er selbst an Liebe und Zuwendung von Gott erfahren hat. So erst kann auch die Begegnung mit den anderen für ihn zur Quelle ungeheuchelter Freude werden. Was die meisten Menschen heute suchen, ist Gemeinschaft, Gemeinschaft in der sie angenommen werden als das, was sie wirklich sind. Aber um wahrzunehmen, was wirklich ist, braucht es die Liebe, Weisheit und Güte eines barmherzigen Gottes, so wie sie uns Jesus ganz lebensnah aufgezeigt hat und wie sie, meist verborgen oder gar verschüttet im Grunde tatsächlich auch in jeder menschlichen Person vorhanden sind. Mit Recht beten wir deshalb im Tagesgebet: „Herr nimm alles von uns weg, was uns hindert auf dem Weg zu dir, damit wir ungehindert der Freude entgegengehen, die du uns verheißen hast.“

 

P. Anton Weber SVD