7. Sonntag der Osterzeit (C)

Besinnung

Textbetrachtung: 1. Lesung

1. Lesung: Apg 7,55-60


Der Text
7, 55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
56 und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.
57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los,
58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß.
59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.


Textbetrachtung
Die Gestalt des Stephanus, der mit der in Apg 7,55-60 geschilderten Steinigung zum ersten Märtyrer der christlichen Kirche geworden ist, nimmt in Apg 6,1-8,3 eine Schlüsselposition ein. Einen griechischen Namen tragend und vermutlich diasporajüdischer Herkunft, wird Stephanus in den Siebenerkreis der Jerusalemer Urgemeinde gewählt. Sein weiteres Schicksal wird in Anlehnung an das Schicksal Jesu geschildert: Wie Jesus wirkt er Wunder und Zeichen (Apg 6,8), wie Jesus wird er vor den Hohen Rat gestellt und angeklagt. Seine ausführliche, die Geschichte Israels kritisch rekapitulierende Rede ist der Auslöser für die Wut seiner Zuhörer, die wiederum zur Steinigung führt.
Die im Anschluss eskalierende Verfolgung in der Jerusalemer Urgemeinde jedoch bewirkt auf der Makroebene der Erzählung paradoxerweise die Ausweitung der christlichen Mission. Die „Zerstreuung“ der Christusgläubigen ermöglicht die Mission in Judäa und Samaria und bildet so den Ausgangspunkt für die zweite im programmatischen Vers Apg 1,8 genannte Stufe der Ausbreitung.

7,55f Wie schon bei seiner Einführung in Apg 6,5, so wird Stephanus auch hier als „erfüllt vom Heiligen Geist“ beschrieben – eine Erfülltheit, die sich verbindet mit der Schau des „offenen Himmels“, näherhin: der Herrlichkeit Gottes und des erhöhten Christus zur Rechten Gottes, den Stephanus hier in Anlehnung an Dan 7,13 mit dem richterlichen Hoheitstitel „Menschensohn“ umschreibt.

7,57f Das prophetische Zeugnis des Stephanus ist den Zuhörern unerträglich. Einer Lynchjustiz gleich, treibt die Menge ihn aus der Stadt und steinigt ihn. Erstmals wird bei diesem Ereignis ein Mann eingeführt, der schon bald als Christuszeuge in die Fußstapfen des Stephanus treten wird: Die Kleider des Getöteten werden einem jungen Mann namens „Saulus“ übergeben. Offenkundig stimmt Saulus Paulus, hier noch mit seinem hebräischen Namen genannt, der Hinrichtung zu diesem Zeitpunkt noch zu (vgl. Apg 8,1). Erst vor Damaskus wird aus dem Verfolger der Gemeinde ein Apostel werden.

7,59f Das Gebet des Stephanus im Angesicht seiner Feinde und des Todes erinnert an den sterbenden Jesus des Lukasevangeliums. Auch Stephanus legt seinen Lebensgeist in göttliche Hand zurück (vgl. Lk 23,46; in Apg 7,59 wird die Bitte aber an den „Kyrios/Herrn Jesus“ gerichtet!). Und sogar als sein letztes Wort vor dem Tod erschallt die Bitte um Vergebung für seine Peiniger (vgl. Lk 23,34). Stephanus hat gezeigt, was Nachfolge bedeuten kann.

 

Dr. Rita Müller-Fieberg