7. Sonntag der Osterzeit (C)

Besinnung

Textbetrachtung: 2. Lesung

2. Lesung: Offb 22,12-14.16-17.20


Der Text
22,12 Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht.
13 Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.
14 Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können.
16 Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern.
17 Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens.
20 Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. - Amen. Komm, Herr Jesus!


Textbetrachtung
Abgesehen vom rahmenden Briefgruß in Offb 22,21 handelt es sich bei Offb 22,6-20 um die letzten Verse der Johannesoffenbarung, in denen sich manche zentralen Verheißungen, Vorstellungen und Mahnungen dieses Buches noch einmal gebündelt finden. Grundmotiv ist die sehnsüchtige Hoffnung auf die baldige Wiederkunft Christi als Zielpunkt der gesamten Geschichte. Als Leitwort durchzieht das Verb „kommen“ den stark dialogisch angelegten Text, mal imperativisch die Erwartung der Gemeinde zum Ausdruck bringend (Offb 22,17.20), mal indikativisch-bestätigend im Munde Christi (Offb 22,7.12.17.20).

22,12 Johannes hört in Offb 22,12-16 den erhöhten Christus selbst sprechen. Dieser kündigt sein baldiges Kommen an und übernimmt hier selbst die Richterfunktion in einem Gericht, bei dem sich der Lohn nach den Werken eines jeden ausrichtet (vgl. Ps 28,4; Jes 40,10 u.ö.).

22,13 Mit drei semantisch parallelen Bezeichnungen, die letztlich alle auf die umfassende Schöpfer- und Geschichtsmacht Gottes hinzielen, erweist der sprechende Christus seine Göttlichkeit: Zumindest die Bezeichnungen „Alpha und Omega“ (nach dem ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets; vgl. Offb 1,8; 21,6) sowie „der Anfang und das Ende“ (Offb 21,6) waren bislang Gott selbst zugeschrieben. Nur die dritte Bezeichnung „der Erste und der Letzte“ trat schon als Christusname auf (Offb 1,17; 2,8; vgl. Jes 44,6 – dort aber für Gott).

22,14 Selig gepriesen wird derjenige, der „sein Gewand wäscht“, d. h. sich auch in der Bedrängnis treu zur Botschaft Christi verhalten hat. Ihm sind der Baum des Lebens (vgl. Offb 2,7; 22,2) und der Zutritt zur in Offb 21f in aller Pracht und Heiligkeit beschriebenen Gottesstadt als dem Inbegriff von Glück und Heil verheißen.
Der Seligpreisung folgt antithetisch ein (beim Lesungstext ausgelassener) Lasterkatalog in Offb 22,15 (vgl. auch Offb 21,8), der in mahnendem Ton allem Widergöttlichen, Lebensfeindlichen in der neuen Stadt keinen Platz mehr einräumt.
22,16 Wie es der gesandte Engel den Gemeinden bezeugt (vgl. Offb 22,6), so bezeugt Christus hier selbst die Wahrhaftigkeit seiner Trostbotschaft mit dem unterstützenden Hinweis auf seine Messianität. Er bezeichnet sich in Anlehnung an Jes 11,1.10 als Spross aus davidischem Geschlecht und als „strahlenden Morgenstern“ – eine Symbolik, die im Judentum anschließend an Num 24,17 ebenfalls auf die Herrschaft des Messias gedeutet werden konnte.
22,17 Ohne die unberücksichtigten Verse 18f präsentiert sich der Rest der Lesung als ein verdichteter Dialog zwischen dem prophetischen „Geist“ und der „Braut“ (als der wartenden Gemeinde) einerseits und Christus andererseits. Die sprachliche Gestaltung von Offb 22,17 verweist auf eine gottesdienstliche Situation; man kann sich gut einen Wechselgesang innerhalb der Gemeinde vorstellen. Eingang findet an dieser Stelle auch wieder das Motiv des Durstes nach dem „Wasser des Lebens“, das „umsonst“, aus reiner Gnade geschenkt wird (vgl. Offb 7,16f; 21,6).
Ausgelassen ist an dieser Stelle die „Kanonisierungsformel“ Offb 22,18f, die mit großem paränetischem Ernst verbietet, dem Buch etwas hinzuzufügen oder davon etwas wegzunehmen.
22,20 Christus sichert abschließend sein baldiges Kommen zu. Die Gemeinde antwortet ihrerseits mit einem bestätigenden „Amen“ und der wiederholten Bitte, die dem frühchristlichen aramäischen Gebetsruf „Maranatha“ entspricht (vgl. 1 Kor 16,22).

 

Dr. Rita Müller-Fieberg