2. Adventssonntag (A)

Predigtimpuls

Segenswunsch: Einmütigkeit

1. Lesung: Jes 11,1-10
2. Lesung: Röm 15,4-9
Evangelium: Mt 3,1-12
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Der Wunsch zum Segen
Es gab eine Zeit, da habe ich gern irische Segenswünsche gesammelt. Ich fand die Formulierungen so erfrischend einfach und ansprechend:
- möge der Wind stets in deinem Rücken sein
- möge der Sonne Wärme bis in dein Herz dringen
- möge der Regen deine Rosen gut benetzen
- möge sich dir jeden Abend eine Tür öffnen
- möge es Menschen geben, über die du dich jeden Tag freust, dass es sie gibt

Die irischen Segenswünsche drücken ungekünstelt und doch auch künstlerisch verspielt den Wunsch aus, dem Anderen möge es rundherum gut ergehen. Meist kommt Gott gar nicht ausdrücklich in diesem Wunsch vor. Und doch spürt man: er ist in jedem Wunsch implizit erhalten, er, der Geber alles Guten.

Der Wunsch von Paulus
In der heutigen zweiten Lesung haben wir von einem paulinischen Segenswunsch gehört. Paulus benennt im Gegensatz zu den irischen Formulierungen ganz klar Gott: „Gott aber, der Geduld und Ermutigung schenkt, gebe euch Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht.“ Der Wunsch richtet sich an die Gemeindemitglieder von Rom. Sie, die schon von Gott mit Geduld und Ermutigung beschenkt wurden, sollen jetzt zusätzlich noch die Einmütigkeit erfahren. Einmütigkeit bedeutet vom ursprünglichen Wort her: Mut, eines Sinnes zu sein; das heißt nicht, dass alle der gleichen Meinung sein sollen. Es geht Paulus darum, dass sich alle – auch bei unterschiedlichen Auffassungen in konkreten Dingen – auf das gleiche Ziel ausrichten, so wie es Christus gemäß ist. Durch das innere Vorhaben, sich an Christus zu orientieren, wird gemeinsames Handeln auch dort möglich, wo man sich nicht in allen Fragen einig ist. Mit der Einmütigkeit verbindet sich der Zweck, „damit ihr einträchtig und mit einem Mund Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus loben könnt“. Das gemeinsame Gotteslob ist die Frucht der einmütigen Einstellung. „Einmütig“ ist übrigens ein Lieblingswort der Apostelgeschichte, in der es zehn Mal zu finden ist. Das gemeinsame Gotteslob ist zugleich die Basis für das gemeinsame Tun. So wird deutlich, dass die Gemeindemitglieder eins in Christus sind – und das ist es, was sich Paulus wünscht.

Und wenn sich dieser Segenswunsch auch nur halbwegs verwirklicht, dann hat das, gemäß Paulus, sichtbare Konsequenzen. Er fasst noch einmal zusammen, was ihm aus seinem Erfahrungsschatz am wichtigsten ist: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.“ Es geht darum, die Mitchristen auch mit ihren unterschiedlichen Meinungen und ihren persönlichen Eigenarten zu akzeptieren und als Schwestern und Brüder anzunehmen, für die Christus gestorben ist. Das hier gebrauchte griechische Wort für Akzeptieren ist nicht nur rein rational und sachlich gemeint im Sinne von: ‚ich gestehe dir gern eine andere Meinung zu, aber lass mich ansonsten in Ruh‘. Vielmehr schwingt auch eine emotionale/empathische Note mit, so wie es in der englischen Übersetzung „welcome one another“ besser herauskommt. Das Akzeptieren des Anderen geht weiter in eine persönliche Beziehung über bis hin zur Einladung: Komm, wir feiern miteinander. Denn der Vergleich „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“ verweist ja explizit auf das Verhalten Christi, der für die Sünder da gewesen ist und sie als Menschen akzeptiert hat, denen Gottes Liebe gilt. So hielt er Mahl mit ihnen, ließ sich von ihnen berühren, freute sich über ihre Offenheit und ihr Vertrauen. So vollzog sich und vollzieht sich die Einladung Gottes an alle, in seine Gemeinschaft zu kommen. In seinem feierlichen Schlusswort stellt Paulus zwei Eigenschaften Gottes dar: Treue und Barmherzigkeit, die Christen unabhängig von ihrer Herkunft anspricht. In der ersten Wesensbeschreibung Gottes kann sich vor allem ein Jude, in der zweiten ein aus den Völkern kommender Nicht-Jude wiederfinden. Und um wen es sich auch handelt, die Reaktion auf die Erfahrung der Treue und Barmherzigkeit Gottes ist gemeinschaftsbildend: die Verherrlichung und der Lobpreis Gottes.

Hier kommt die Vision des Paulus, des Architekten der christlichen Gemeinde, zum Vorschein: Geschwisterlichkeit in Christus – und das in den Ausprägungen Ritus, Ethos und Mythos. In diesem notwendigen Reformprozess ist die sichtbare Seite der Religion mitentscheidend. Paulus träumt vom Tempel als gemeinsamem Ort der Gottesverehrung von Juden und aus Heiden gewordenen Christen. Er weiß um die verbindende Kraft der Akzeptanz gemeinsamer Maßstäbe und fordert sie deshalb ein. Und er stiftet eine Erzählgemeinschaft, die auf Grundlage der Heiligen Schriften auf das völkerumfassende Heil baut. So wird das Ziel der Geschichte Gottes mit der Welt – die Anerkennung seines Gott-Seins durch alle Menschen – gewissermaßen im Gottesdienst der christlichen Gemeinde punktuell vorweggenommen. (vgl. Michael Wolter: Der Brief an die Römer, EKK, S. 416)

Advent – Zeit eines Segenswunsches
Advent – Kinder wissen es – ist die Zeit des Wunschzettel-Schreibens. Was Paulus der römischen Gemeinde und schließlich auch uns wünscht, haben wir vernommen. Auch wir haben Wünsche, oft unausgesprochen: Was wünschen Sie einem geliebten Menschen? Was wünschen Sie einem Menschen, dem Sie am liebsten aus dem Weg gehen möchten? Was wünschen Sie Ihrer Gottesdienstgemeinde?

Sowohl im privaten wie auch im gesellschaftlichen Bereich stoßen wir auf unterschiedliche Auffassungen und Lebensvorstellungen. Gerade die uns geschenkte Adventszeit will uns auf den Grund unseres Denkens und Handels führen: die Suche nach der Gemeinschaft mit Christus. Ihn zum Vorbild nehmend können unsere Segenswünsche nur gut sein.

 

P. Konrad Liebscher SVD