Allerseelen

Predigtimpuls

Die Grundfarbe des christlichen „Jenseits“ ist hell

1. Lesung: 2Makk 12,43-45 / Ijob 19,1.23-27 / Jes 25,6a.7-9
2. Lesung: 1Thess 4,13-18 / Röm 8,14-23 / Phil 3,20-21
Evangelium: Joh 11,17-27 / Joh 14,1-6 / Lk 7,11-17
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Als die heilige Monika in der römischen Hafenstadt Ostia zum Sterben kam, war sie sehr gelassen: „Was soll ich hier noch tun, warum hier sein?“, erklärte sie ihrem Sohn Augustinus wenige Tage vor ihrem Tod. „Eines gab es, warum ich noch eine kleine Weile in diesem Leben zu bleiben wünschte: Ich wollte dich noch als katholischen Christen sehen, bevor ich sterbe. Gott hat mir dies überreich gewährt.“ Wenige Tage später packte sie ein starkes Fieber, wohl die Malaria, und sie sagte zu Augustinus und seinem Bruder: „Ihr werdet eure Mutter hier begraben müssen... Begrabt diesen Leib irgendwo, macht euch keine Sorgen um ihn; nur darum bitte ich: Wo immer ihr seid, denkt an mich am Altar Gottes.“

Der verstorbenen Christen bei der Eucharistiefeier zu gedenken, scheint sehr früh begonnen zu haben. Die Märtyrer wusste man bei Gott. Aber was ist mit den anderen, mit denen, die sich nicht so radikal Christus geschenkt haben oder schenken konnten, die mit ihren Fehlern und Sünden eines „normalen“ Todes gestorben sind?

Bei Paulus fand man eine Antwort (1 Kor 3,9-15). Paulus spricht davon, dass das Werk eines jeden, sein Lebenswerk, von Gott im Feuer auf seine Tauglichkeit geprüft wird. „14Hält stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. 15Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch.“

In der Heiligen Schrift ist Feuer Strafe, aber auch Mittel der Reinigung, der Läuterung. Das Fegefeuer also als letzte Läuterung des gläubigen Menschen, dass er, „wie Gold im Feuer geläutert“, in die Herrlichkeit Gottes eingehen kann und die Heiligkeit Gottes aushält. Wie ich einmal las, sah die heilige Katharina von Siena sogar die Hölle noch als ein Werk der Barmherzigkeit Gottes, weil eine Seele, die sich Gott radikal verweigert, im Himmel an der Heiligkeit Gottes noch viel mehr leiden würde als in der Hölle.

Vergessen wir nie: Gott hört niemals auf, einen Menschen zu lieben. Er wird niemals einen Sünder aus Wut oder Zorn quälen; Gottes Handeln kommt immer aus der Liebe, und er sehnt sich danach, dass wir seine Liebe erkennen und annehmen.

Nach dem Tod also noch eine letzte Reinigung. Die Kirche folgerte: Stehen wir also unseren Verstorbenen mit unserem Gebet bei, dass sie möglichst schnell durch diesen schmerzlichen Prozess hindurchkommen, dass die Läuterung durch unsere Liebe schneller und weniger schmerzvoll geschehen möge.
Heute ist es verpönt, von Hölle und Fegefeuer zu sprechen. Aber stecken hinter diesen Begriffen nicht tausendjährige Erfahrungen der Kirche und vieler Mystiker? Heute stellen wir den Übergang aus diesem Leben in die Ewigkeit Gottes lieber so dar: Gott empfängt den Menschen mit ausgebreiteten Armen und zieht ihn an sein Herz. In dieser Umarmung wird alle Sünde, aller Stolz, aller Widerstand gegen Gott, aller Unglaube vernichtet. Schöne Vorstellung. Aber sollte ein Mensch das ertragen können ohne brennende Scham und ohne schmerzliche Reue? Das wäre dann das Fegefeuer.

Aber wenn es so ist, kommt dann mein Gebet für einen Verstorbenen nicht immer zu spät? Nein. Gott kennt mein Gebet, kennt, was ich ihm in Liebe schenke, lange bevor ich überhaupt daran denke. Gott kann mein Gebet beantworten hundert Jahre, bevor ich geboren bin, und auch hundert Jahre (und mehr), nachdem ich gestorben bin. Zeit spielt für Gott keine Rolle.
Verweigern wir also unseren Verstorbenen nicht unser Gebet, unsere Liebe, verweigern wir ihnen nicht unsere Hilfe, unsere Barmherzigkeit. Lassen wir das Beten für die Verstorbenen nicht in Vergessenheit geraten; einmal werden auch wir zu den Verstorbenen gehören.
 

 

P. Lothar Janek SVD