Erntedank

Predigtimpuls

Bewahrung der Schöpfung

1. Lesung: Dtn 8,7-18
Zwischengesang: www.antwortgesang.de
2. Lesung: 1Kor 3,6-10
Evangelium: Lk 17,11-19

Vorbemerkung:
Zum Erntedankfest wird eine ganze Reihe von Lesungen vorgeschlagen. Aus den vorgeschlagenen Lesungen habe ich Dtn 8,7-18; 1 Kor 3. 6-10 und Lk 17,11-19 ausgewählt. Sie sind zu finden im Lektionar VIII.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben uns schon seit langem daran gewöhnt, aus dem vollen zu schöpfen. Tomaten und Erdbeeren mitten im Winter sind für uns etwas Selbstverständliches geworden. Wir können in unserem Leben davon ausgehen, dass uns fast alles zu Gebote steht. Das macht unser Leben angenehm, in gewisser Weise auch sorglos und frei von allzu ängstlichem Vorausplanen.,
Aber doch lässt uns dann und wann eine Nachricht aufhorchen, wenn wir hören, dass unsere Umwelt bedroht sei, dass diese oder jene Pflanzen nicht mehr genießbar seien. [Erinnern wir uns nicht alle an die Tage von Tschernobyl, als ein defektes Atomkraftwerk in der Ukraine ganze Landstriche verstrahlte. Der „Supergau“ beunruhigte uns alle und brachte unsere heile Welt arg durcheinander. Wie dankbar waren wir da, dass es nicht noch schlimmer gekommen war!] (Zusatz durch die Redaktion) Der Mangel, das Versagen und das Defizit bringen uns da ganz schön zum Nachdenken. Wenn wir heute das Erntedankfest feiern, dann soll das für uns ein positiver Anlass sein, über die Natur, die Gaben unserer Erde, aber auch über die Leistungen und Möglichkeiten des Menschen nachzudenken. Das Erntedankfest feiern kann für uns aber auch heißen, nicht alles als selbstverständlich hinzunehmen. Erntedank mahnt uns zu einem verantwortungsvollen und behutsamen Umgang mit der Schöpfung.

Da ist mir vor einiger Zeit ein australisches Märchen in die Finger gekommen. Parallelen zu unserer Zeit fallen mir auf.

Seit den alten Tagen ist die Regenzeit schon unzählige Male übers Land gezogen. Damals waren die Menschen glücklich und zufrieden. Sie halfen einander im Kampf gegen giftige Schlangen, gingen gemeinsam auf die Jagd und teilten die Beute gerecht. Die Erde war damals schön, da Gott selbst bei den Menschen wohnte. Das blieb jedoch nicht immer so. Die Menschen wurden misstrauisch und neidisch, jeder dachte nur noch an sich selbst. Die Erde wurde unter einige wenige aufgeteilt. Jeder wollte möglichst viel haben. Als das Treiben der Menschen immer ärger wurde, zog Gott fort, und damit begann das Unheil. Ihm folgten die Vögel. So wurde es auf der Erde weit und breit still. Kaum waren die Vögel verschwunden, wimmelte es auf allen Wegen und Pfaden von Ameisen und Käfern, die zuvor im Gras gelebt hatten. Über Nacht verschwanden auch die Blumen und die Blätter und die Blüten der Bäume und Sträucher, und das Gras verdorrte. Die große Erde verwandelte sich in eine Wüste und war bald so öd wie die Seelen der Menschen. Kaum waren die Blumen und die Blüten der Bäume verschwunden, verstummte das Gesumm der fleißigen Bienen. Als die Frauen für die Kinder Honig holen wollten, erschraken sie, denn die Bienenstöcke waren leer.

Mitten in der öden Wüste grünten aber noch drei Bäume mit goldenen Früchten. Hierher waren die Bienen geflogen. Gott ließ die drei Bäume weiter grünen und wachsen, um die Menschen zu prüfen.

Die Menschen jedoch begriffen, warum Gott die Menschen verlassen hatte und warum die Erde so unwirtlich geworden war. Sie sagten zueinander: „Wir haben nicht geachtet, was wir hatten. Gott hat uns zu Recht gestraft. Rührt die drei Bäume nicht an, sicher sind sie mit einem Zeichen versehen.“ Gott selber blickte auf die verödete Erde herab, und als er hörte, was die Menschen sagten, beschloss er, etwas zu tun.

Er hob die Hände, und sogleich kamen aus dem rissigen Boden Pflanzen hervor, die es bisher auf der Erde nicht gegeben hatte. Aus diesen Pflanzen wurden mächtige Bäume. Die Mütter sammelten den Blattsaft in Töpfe, trugen sie nach Hause und bereiteten Süßigkeiten daraus. Und bald hörte man weit und breit kein Weinen mehr. Die Menschen wussten, wer sie beschenkt hatte, und waren voll Dankbarkeit.

Aber es fehlten immer noch die Vögel und Blumen. So beschloss man, eine Abordnung zu Gott zu schicken. Niemand zählt die Tage, die die Menschen durchwanderten. Ihnen wuchsen Bärte, und ihre Haare reichten bis zu den Schultern. Hunger quälte sie, und ihre Lippen waren trocken vor Durst. Endlich zeigte sich ihnen Gott. Sie sprachen: „Du selbst bist weise, Gott. Wir wissen nicht, welchen Nutzen Blumen und Vögel haben, aber mit den Blumen und Vögeln liefen bei uns Gesang und Tänze davon. Wir haben aufgehört, Bilder m die Wände zu meißeln und Werkzeuge zu verzieren, und beim Feuer herrscht Schweigen, weil niemand etwas zu erzählen weiß. Wir bitten dich, gib uns die Blumen und Vögel zurück.“

Gott antwortete erst nach einer geraumen Weile: „Eure Worte haben mich milde gestimmt. Geht und nehmt Blumen und Vögel mit! Bringt meine Gaben hinunter zur Erde. Ich will den Ostwind senden, er soll euch Regen bringen. So werden die Blumen weiterblühen, und Gesang und Tanz werden zu euch zurückkehren.“
Die Menschen kehrten zur Erde zurück. Alle, die ihnen begegneten, bestaunten die Wunder. Viele hatten die Blumen längst vergessen, andere hatten sie nie zuvor gesehen. Waren sie nicht den Sternen ähnlich?

Bald summten auch die Bienen wieder, und selbst die Vögel kehrten zurück und erfreuten die Menschen mit ihrem Gesang. Gott aber schaut Jahr für Jahr auf die Erde hinunter und sinnt darüber nach, ob es recht war, den Menschen die Pflanzen, die Blumen und Vögel wiederzugeben.

Die Schöpfung Gottes ist also ein Geschenk für uns Menschen. Ein Geschenk, mit dem wir behutsam umgehen müssen. Es ist auch für uns Zeit, uns wieder neu darauf zu besinnen. Ob auch unser Gott darüber nachdenkt, ob es recht war, uns all das, was uns die Erde gibt, zu geben, in unsere Hände zu legen? Das Erntedankfest möchte uns darüber nachsinnen lassen!

Dass es ein Auftrag an uns ist, den Dank für die Erde nicht zu vergessen, darauf weist uns auch die heutige Lesung aus dem Alten Testament hin, wenn es heißt: ..Wenn der Herr, dein Gott, dich in ein prächtiges Land führt, ein Land mit Bächen, Quellen und Grundwasser, das im Tal und am Berg hervorquillt, ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatbaum, ein Land mit Ölbaum und Honig … ein Land, dessen Steine aus Erz sind, aus dessen Bergen du Erz gewinnst dann nimm dich in acht und vergiss den Herrn, deinen Gott nicht.“

Ich glaube, wir alle sollten den Dank für unsere Erde gerne aussprechen, da wir diese unsere Erde mit ihrer Pracht noch sehen und erleben dürfen. So wünsche ich Ihnen allen eine große Portion Schöpfungsverliebtheit, die sich heute im Danken zeigen darf. Amen.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Zimmermann verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1991/; S. 424-426]
 

P. Herbert Zimmermann SVD †