Aufnahme Mariens in den Himmel (H)

Predigtimpuls

Jedem ist von Gott her eine unendliche, herrliche Zukunft zugedacht

1. Lesung: Offb 11,19a; 12,1-6a.10ab
2. Lesung: 1Kor 15,20-27a
Evangelium: Lk 1,39-56
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Lange bevor am 1. November 1950 Pius XII. die Lehre, dass Maria mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde, als Glaubenssatz verkündete, feierten Christen dieses Fest. Wenn auch in unserer Bibel nichts über eine Aufnahme Mariens in den Himmel gesagt ist, so ist es doch das älteste Marienfest der Christenheit überhaupt. Es wurde in der Ostkirche schon kurz nach dem Konzil von Ephesus (431) gefeiert. Kaiser Mauritius (582-602) anerkannte den 15. August als staatlichen Feiertag. Und seit dem 7. Jahrhundert feierte man auch in der römischen Kirche dieses Fest.

Wenn auch viele christliche Kirchen in Ost und West dieses Fest feiern, kann man sich fragen, was denn Katholiken mit diesem Fest sagen wollen. Ich denke, sie sagen ganz kurz und bündig Folgendes: „Ja, es hat Gott, dem Herrn über Leben und Tod, gefallen, die Mutter seines Sohnes zu sich zu holen.“ Wenn wir das sagen, dann erzählt dieses Fest von unserem Glauben und unserer Hoffnung.

Es erzählt zunächst davon, dass Gott keinen und keine von denen, die voll Gnade sind, die er also zuvorkommend und entgegenkommend lieb hat, verlorengehen lässt. Von Maria können und dürfen wir das nur deswegen sagen, weil sie selbst als Mutter so eng wie sonst niemand mit Jesus verbunden war, der kam, damit alle das Leben haben und es in Fülle haben.

Paulus sagt: In Christus werden alle lebendig gemacht. Ein jeder, wenn er an der Reihe ist. Als erster ist es Christus, der Anführer des Lebens. Danach all die, welche ihm angehören. Angehörige Jesu sind die, welche sich auf seine Seite stellen, die ihn als ihren Herrn bekennen, die also ganz in ihm ihr Leben verwurzelt haben, bzw. ganz kurz gesagt, jene, die glauben. Maria ist eine solche Angehörige Jesu, sie ist die Frau, die Gottes Verheißung traute und die bis zu seinem Sterben am Kreuz ganz auf Jesu Seite stand.

Das war auch der Grund dafür, dass sich schon früh in der Christenheit die Überzeugung herausgebildet hat, dass sich Jesus gnädig an ihr erwiesen hat und ihr Anteil am neuen Leben in Gottes Herrlichkeit geschenkt hat; ihr, dem jüdischen Mädchen Mirjam, die Gott so geliebt hat, dass sie einwilligte, Mutter seines Sohnes zu sein.

Was bedeutet das, was wir an diesem Fest über Maria sagen, für uns, die wir noch ein mehr oder weniger gutes Stück Leben und schließlich auch den Tod noch vor uns haben?

Zunächst: Das Beste an uns ist nicht das, was wir durch Leistung zustande bringen, sondern das, was wir als Geschenk empfangen. Maria existierte ganz aus dem Glauben und dem Vertrauen auf den schenkenden gnädigen Gott.
Diese Haltung scheint mir besonders wichtig zu sein in einer Zeit, in der der Mensch oft nur nach dem beurteilt wird, was er bringt, und in der auch mit Menschen allerorten Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt werden.

Dieses Fest sagt daher: Es ist unwichtig, vor Gott Leistungen zu erbringen, erfolgreich und nützlich zu sein. Gott sagt nicht: Bring du erst mal was, schaff erst mal was, damit du dir auch meine Liebe und Gnade verdienst. Nein! Gott schenkt bedingungslos und immer zuvorkommend. Gott will Ihnen und mir sagen: Ich bejahe dich und schenke dir meine Liebe. Du bist voll der Gnade! Glaube mir, in dir steckt etwas, und zwar mehr als du jemals zu denken wagst! Die Antwort, die solchem Geschenk allein entspricht und gerecht wird, würde dann lauten: „Danke! Du hast Großes an mir getan!“

Ein Zweites sagt dieses Fest: Wir sind eingeladen, uns wie Maria ganz auf die Seite Jesu zu stellen, um wie sie immer tiefer in die Gemeinschaft mit ihm hineinzuwachsen, so tief, dass wir es bis zum Schluss bei ihm aushalten.
Wer das tut, gibt die Hoffnung auf das Leben nicht auf, die Hoffnung darauf, dass Gott nichts von dem, was er je geliebt hat, was in seine Hand eingeschrieben war, verlorengehen lässt.

Maria ist ein Zeichen der Hoffnung dafür, dass Gott jedem Menschen eine unendliche Zukunft zugedacht hat: Jedem Kind, von dessen Lebensweg wir noch wenig wissen; jedem Menschen, der drauf und dran ist aufzugeben, weil er oder sie meint, es sei so entsetzlich viel im Leben misslungen; allen, die aufgerieben zu werden drohen vom Leistungsdruck, allen auch, die sich zuweilen wie abgeschoben vorkommen. Jedem ist von Gott her eine unendliche, herrliche Zukunft zugedacht: auch Ihnen und mir!

 

P. Dr. Bernd Werle SVD