18. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Die Utopie einer heilen und gerechten Welt

1. Lesung: Jes 55,1-3
2. Lesung: Röm 8,35.37-39
Evangelium: Mt 14,13-21

Hunger und Durst nach Leben und Liebe
Wir kennen die Prognosen, dass in Zukunft mehr um Wasser als um Gold oder materielle Güter gekämpft wird. Da wirkt das Wort des Propheten Jesaja wie ein Traum: „Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch!“ Diese Verheißung für die am Rande Stehenden, die immer zu kurz kommen, ist befreiend und keine spiritualisierte Verbrämung: Gott geht es wirklich um das Wohl des ganzen Menschen in dieser Welt. Er will nicht, dass die einen in Überfülle, und die anderen in Not leben. Die Welt hat Nahrung und Raum für alle! Der Lebenshunger der Menschen ist in einem gewissen Sinn unersättlich: auch wenn wir hier auf Erden ganz satt werden und ganz zufrieden sind, bleibt doch eine Sehnsucht nach mehr. Nach einem Leben, das von Liebe gekennzeichnet ist; von Sorge um den anderen; von einem geschwisterlichen Verhalten, dass niemanden ausschließt.

Was man nicht mit Geld bezahlen kann
So fährt dann der Prophetentext fort: „Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?“ Natürlich brauchen wir materielle Güter, um leben zu können. Aber das Eigentliche, was letztlich unser Leben ausmacht, ist unbezahlbar und vom Menschen nicht machbar. Allerdings sieht das mitunter aus der Perspektive dessen, der hat oder nicht hat, anders aus. Wer mit den Gütern der Welt gesegnet ist (oder sich selbst „gesegnet“ hat, d. h. unrechtmäßigerweise dazu gekommen ist), der vermisst anscheinend nichts; er kann sich alles leisten – meint er. Aber auch das erweist sich als Trug; denn Liebe kann man nicht kaufen; Gesundheit nur bis zu einem gewissen Grade; Beziehung und Freundschaft ist ein Geschenk. Wer hingegen auf der anderen Seite des Lebens steht, nichts oder nur wenig hat, für den ist die Verheißung etwas, woran er sich klammern kann. Eine Hoffnung, die hoffentlich in der Gemeinde der Jesusjünger schon Zeichen der Erfüllung bietet: von den Broten bleiben viele übrig. Es reicht nicht nur für alle, sondern für noch mehr.

Das Unrecht der ungerechten Verteilung
Die Güter dieser Welt reichten eigentlich für alle Menschen. Aber die Verteilung, die Haltung des Egoismus und das Ausüben von Macht stehen dem entgegen. Mir scheint, dass vielleicht gerade heute (wohl auch den Kommunikationsmedien geschuldet) niemand mehr unbeobachtet leben und regieren kann. Was hier und heute geschieht oder nicht geschieht, ist in Sekundenschnelle weltweit verbreitet. Aber warum schaffen wir es nicht, aufrichtig und gerecht zu teilen? Niemandem ginge da Lebensnotwendiges ab. Es ist wohl eine Frage des Austeilens: nicht nur Fremdes zu verteilen, sondern Eigenes herzugeben. Nicht nur vom Überfluss, sondern von dem, was ich habe, anderen abzugeben. Wenn das gelänge, wäre das ein Wunder nach Jesu Geschmack. Er hat seine Jünger nicht gelehrt, Brot zu vermehren, sondern für das vorhandene zu danken und es denen weiterzugeben, die Hunger haben. Niemand kommt dabei zu kurz.

Heute noch an Wunder glauben?
„Glaubst du etwa noch an Wunder?“, hören wir hin und wieder. „Sei doch nicht so naiv!“ Ja, naiv sollen wir nicht sein, aber doch bereit, über unseren eigenen Horizont (des Wissens, der Erfahrung, der vermeintlichen Möglichkeiten) hinauszuschauen und Gottes Wirken in dieser Welt zu erkennen. Wunder gibt es immer wieder – erkennt derjenige, der sich der ungewöhnlichen Lebensart Jesu stellt – und versucht, danach zu leben und zu handeln.

Lernen von den Kindern dieser Welt
Viele moderne Menschen leben heute nach der Maxime: Ein Unternehmen oder Geschäft kann man nicht nach den Prinzipien der Bergpredigt – also der Kernbotschaft Jesu – organisieren. Die vielen Skandale in der Finanzwelt, in der Politik, ja selbst in der Kirche scheinen diese These zu bestätigen. Wie sehr wurde da der Ausspruch Jesu „lernt von den Kindern dieser Welt“ falsch verstanden bzw. in einen fatalen Zusammenhang gebracht. Es geht ja nicht darum, allem und jedem ein frommes Mäntelchen umzuhängen, sondern den Geist der Botschaft Jesu zu begreifen und danach zu handeln. Daraus allein ergibt sich eine Seligkeit, die nicht in dieser Welt verankert ist, sondern im Reich Gottes. Von einer „Nicht-genug-Mentalität“ führt das dann zu einer „Mehr-als-genug-Mentalität“ (Henri Nouwen) – und dann sind wir ganz bei Jesus und seiner Botschaft, die allen Menschen gilt; wo niemand mehr dürsten und hungern muss. Eine wunderbare Perspektive und Hoffnung, für die es sich einzusetzen lohnt, und nicht nur eine Utopie oder fantastische Vorstellung.

 

P. Heinz Schneider SVD