25. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“

1. Lesung: Jes 55,6-9
2. Lesung: Phil 1,20ad-24.27a
Evangelium: Mt 20,1-16a

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, so haben wir beim Propheten Jesaja gelesen. Vielleicht findet dieses Bibelwort ein wenig seinen Ausdruck auch in der bekannten Redewendung: „Der Mensch denkt, und Gott lenkt.“

Und manche fügen dann noch etwas lustig hinzu: „Der Mensch dachte und Gott lachte“ – kennen Sie diese Redewendung auch?

Wie immer, es will einfach noch einmal deutlicher machen, was im Prophetenwort geschrieben steht: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Gott denkt oft ganz anders, als wir es tun. Seine Pläne sind anders, als wir planen. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Gott vielleicht manchmal zum Lachen zumute ist, wenn er uns planen und denken sieht. Vielleicht auch manchmal zum Weinen.

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Gott denkt anders. Mehr noch: Gott hat in Vielem einfach ein ganz anderes Empfinden und Werten, als wir Menschen das haben. Zum Beispiel die Frage: Was ist ein gerechter Lohn? Gott mag das ganz anders sehen, als wir es tun.

Das heutige Evangelium geht genau dieser Frage nach. Jesus erzählt ein Gleichnis. Eine Geschichte. Und noch bevor ich dieses Gleichnis zu klären und deuten versuche, bin ich einfach einmal beeindruckt, wie Jesus seine Botschaft in wunderbare Geschichten packt. Und er tut das ja immer wieder. Wunderbare Geschichten erzählt Jesus. Fast wie kleine Rätselgeschichten. Was meint er denn jetzt damit? Was will er denn jetzt wieder sagen? Was sind seine Gedanken in dieser Geschichte, damit sie auch meine Gedanken werden können?

Nun, wenn ich die Geschichte so lese: Ehrlich gesagt, dann sind meine Gedanken erst einmal näher bei jenen Arbeitern, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Also wäre ich unter diesen gewesen, ich hätte es auch nicht verstanden, warum jene, die nur eine Stunde gearbeitet haben, das gleiche bekommen sollen wie ich, der ich ja den ganzen Tag geschuftet habe. Soll das gerecht sein? Ich hätte mich auch beschwert. Wahrscheinlich sehr lautstark sogar.

Diese Geschichte muss irgendwo einen Haken haben. Da muss etwas dahinterstecken, das ich jetzt noch nicht sehe. Also bleibe ich einfach noch bei meiner Weise zu denken und spiele die Geschichte weiter. Ich wäre also mit meinem Denar nach Hause gegangen, müde von der langen Arbeit und noch immer eine Wut im Bauch über die ungerechte Auszahlung. Aber, so würde ich mir denken, morgen bin ich nicht mehr so dumm. Morgen bleibe ich im Bett bis zu Mittag, dann werde ich einmal ausführlich essen, wieder ein wenig rasten und in der Mitte des Nachmittags gehe ich zum Marktplatz. Dann wird mich der Gutsbesitzer spät erst mitnehmen können, ich arbeite eine Stunde und bekomme genau so mein Ein-Denar-Stück.

Oder ist da etwas falsch an meiner Logik? Ist doch so – oder?
Der Mensch dachte und Gott lachte.

Der Gutsbesitzer wird mich an diesem späten Nachmittag sehen am Marktplatz, aber er würde an mir vorbeigehen und sich mit keinem Wort an mich wenden. Schon gar nicht wird er mich auffordern, in den Weinberg mitzukommen. Und mit leerer Tasche werde ich am Abend nach Hause zurückkehren.

Denn in meinem Neid über jene, die nur eine Stunde gearbeitet haben und denselben Lohn bekamen, habe ich etwas sehr Wesentliches übersehen: Diese Menschen sind nicht wie ich faul im Bett liegen geblieben und erst nach ausführlichem Mittagessen zum Marktplatz gekommen. Diese Arbeiter waren genauso wie alle anderen in aller Frühe dort. Und sie haben genauso gewartet. Sie haben genauso gehofft, dass sie bald gerufen werden und arbeiten können. Nur hatten sie das Glück nicht, gleich bei den ersten dabei zu sein. Sie haben nicht gleich Arbeit gefunden. Und sie haben vermutlich auch darunter gelitten, nicht dranzukommen, arbeitslos zu sein. Aber arbeiten wollten sie auf alle Fälle genauso wie die anderen. Sollten sie jetzt dafür bestraft werden? Ist es nicht gerecht, dass sie den gleichen Lohn erhalten?

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. Oft sind unsere Gedanken so wunderbar logisch, dass wir übersehen, dass sie nicht mehr gerecht sind, und dann können sie nicht mehr gleich mit Gottes Gedanken sein.

Wir sind so sehr bestimmt vom Leistungsgedanken, dass wir auch unseren Glauben primär an den Leistungen messen wollen. Wir wollen belohnt werden für unsere Glaubensleistungen. Und da sagt uns Gott: Eure Wege sind nicht meine Wege. Nicht erst die wirkliche Arbeit im Weinberg zählt für Gott. Sondern schon das bereitwillige Warten am Marktplatz ist Gott wichtig und wird von ihm entlohnt.

Nicht nur das Tun, das Aktiv-Sein, das Planen und Gestalten, nicht nur das aktive Tätig-Sein als Christ zählt für Jesus. Nein, er lohnt genauso das andere: das einfach Da-Sein, die bereitwillige Gegenwart, das Offen-Sein, bis ich gerufen werde. Das heutige Evangelium relativiert unseren Leistungsgedanken. Wer im Glauben nur auf Leistung schaut und darauf, überall aktiv präsent zu sein, der kann leicht etwas sehr Wesentliches übersehen.

Nämlich: Dass Gott den stillen Menschen, jenen, der einfach nur da ist und wartet, bis er gerufen wird, genauso entlohnt wie den fleißigen, der immer aktiv tätig ist. Beide werden gleich entlohnt, das heißt, beides ist Jesus gleich wichtig. Es braucht beides: das aktive Hinausgehen und das stille Sich-Zurückziehen, das Arbeiten und das Gebet, das Laute und die Stille, Aktion und Kontemplation.

Und wenn wir uns einmal nur mehr auf eine dieser beiden Seiten konzentrieren, dann muss uns bewusst sein, dass unsere Gedanken nicht mehr Gottes Gedanken sind und seine Wege nicht mehr die unseren. Und dann gilt es umzukehren und wieder seine Wege zu suchen.

 

P. Josef Denkmayr SVD