Hochfest der Auferstehung des Herrn - Die Feier der Osternacht

Predigtimpuls

Diese Feier dieser Nacht: Sie gibt Hoffnung.

1. Lesung: Gen 1,1-2,4a oder Gen 2,4b-24
2. Lesung: Gen 6,13-7,12.17-8,12,9,13.15f
3. Lesung: Gen 22,1-18
4. Lesung: Ex 14,15-15,1
5. Lesung: Jes 54,5-14
Oder: Jes 55,1-11
6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4
7. Lesung: Ez 36,16-17a.18-28
Oder: Ez 37,1-14
Epistel: Röm 6,3-11
Evangelium: Mt 28,1-19
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

1. Züngelndes Leben aus toter Materie
Das wäre mal eine Osternacht: keine Neonröhren und keine vorbeifahrenden Autos, keine Taschenlampen und keine brennende Kerze, kein Feuerzeug und keine vorbereitete Glut. Auf dem Vorplatz nur totes Zeug, zundertrockenes Gezweige, das kein Frühling mehr zum Treiben bringt. Und zwei Steine, kantig und handlich, kalt und starr, wie nur etwas leblos sein kann. Sage einer, da könne sich noch irgendein Leben regen, niemals.

Und doch, aneinandergeschlagen gebären die Steine Funken. Die Funken ergreifen das Reisig. Flammen züngeln und flackern lebendig, genährt von erstorbenen Pflanzengliedern. Licht zerreißt die Finsternis, lässt im Windhauch den Widerschein der Umstehenden freudig hüpfen und tanzen, lässt sich auf die Osterkerze pflanzen. Von dort auf die vielen kleinen Kerzen in den Händen der Mitfeiernden.

Das alles schweigend tun, sich Zeit lassen und schauen, könnte uns in das Geheimnis der Osternacht einsinken lassen. Wir haben das Feuer und das Licht gebändigt. Haben Energie erzeugt und gespeichert. Wir manipulieren es mit Routine. Dass aus dem kalten, toten Stein etwas Lebendiges springt, das immer größer wird, je mehr es sich teilt, versetzt uns kaum noch in Staunen. Wir sind daran gewöhnt. Und doch liegt etwas Unfassbares, Überwältigendes darin. Aus hoffnungslos Leblosem wird hüpfende Lebendigkeit.

2. Schrecken und Freude
Nicht umsonst ist der aus Stein geschlagene Funke Symbol für den Auferstandenen. Vom Toten war nichts mehr zu fürchten, dachten sie. Sein Leichnam sagt nichts mehr und tut nichts mehr. Höchstens ein Kommando seiner Begleiter und Sympathisanten könnte sich seiner bemächtigen und Unfug damit treiben. Daher eine behördliche Wache vor das Grab. Das befürchtete Kommando rückt im Morgengrauen an. Aber da ist nichts zu befürchten. Es sind Frauen. Sie werden nicht befehligt. Sie folgen der Anhänglichkeit ihres Herzens. Öl haben sie dabei, so hat es der Evangelist Markus vermerkt, Lebenssaft aus den Oliven, den sie täglich im Haushalt verwenden. Den brennenden Schmerz offener Wunden kühlen sie damit. Sie wollen den Geschundenen salben. Kostbare Gewürze haben sie darunter gemischt. Sie wollen dem Erniedrigten seine Würde wiedergeben. In Spezereien, mit denen man Könige salbt, wollten sie ihn hüllen. Er war ihnen zum Gesalbten Gottes, zum Messias, zum König der neuen Gottesherrschaft geworden. Ihre Sinne müssen den Leichnam zur Kenntnis nehmen, aber ihre Seelen erkennen den Todesstreifen nicht an. Sie sind bei ihm wie in den Tagen vor der Katastrophe.

Der Totgemachte ist nicht dem Leben entzogen. Der Vernichtungsschlag hat einen Funken sprühen lassen, der die Welt in Feuer, Licht und Wärme setzt, genährt von allem Abgeschnittenen, Verdorrten, hoffnungslos Unbrauchbaren. Totgeglaubtes geht in Flammen auf, in nicht erwartete Lebendigkeit. Schrecken und Freude erfasst jene, die es erleben. Sie begreifen nicht. Es muss ihnen erklärt werden. Sie kommen von selbst nicht drauf, was da vorgeht. Ihr Herz brennt, aber ihre Augen sind gehalten, so dass sie nicht verstehen. Sie verstehen überhaupt nichts mehr. Gewohntes ist aus den Fugen geraten. Ihr Weltbild ist erschüttert, wie vom Erdbeben zerstört. An was kann man sich noch halten! Die Soldaten, Repräsentanten von etablierter Macht und Ordnung, liegen wie Puppen herum. Das Grab leer, wo er doch begraben und bewacht wurde! Was geht da vor?

Gott selbst muss ihnen das Verstehen schenken. Ein Engel sagt’s den Frauen: Ihr seid hier am falschen Platz. Der, den eure Seele sucht, ist im Grab nicht anzutreffen. Ihr findet ihn unter den Lebenden, unter den Trauernden und Verwirrten und Verängstigten, unter den geringsten der Brüder und den armseligen Schwestern. Dort werdet ihr ihn finden.

Ihr wisst jetzt, dass er lebt, dass der Tod ihn nicht verschlungen hat. Er ist da, anders als ihr es gewohnt wart. Eure Gewissheit wird in den Todgeweihten die Hoffnung aufflackern lassen, die der Wurzelstock allen Lebens ist. In diesem Schein werdet ihr Jesus, den Lebenden, aufleuchten sehen.

3. Wiedererkennen im Alltag
In der Feier der Osternacht beschwören wir nicht Vergangenheit, sondern stellen Gegenwart dar. Die Auferstehung ist kein historisches Ereignis wie die Hinrichtung. Sie gehört der Ewigkeit an, die Vergangenheit und Zukunft nicht kennt. Sie umgibt uns wie die Allgegenwärtigkeit Gottes. Paulus vergleicht die Auferstehung mit einer Kraft. Wo immer wir einem Menschen in ehrlicher Anteilnahme und mit lauterem Herzen Hoffnung machen, da kann die Kraft der Auferstehung durchbrechen, wie der Funke aus dem toten Stein springt und alles in anderem Licht erscheinen lässt und mit neuer Wärme durchdringt.

In der nächtlichen liturgischen Feier verdichtet und veranschaulicht sich unsere Gewissheit von – oder wer weiß, auch unser Zweifel an – der Kraft, die uns trägt. Dieses Feiern stellt uns ein auf die Begegnung mit dem Auferstandenen, die unvermutet mitten im Alltag geschieht, vorzüglich unter jenen, die nichts mehr vom Leben erwarten, die sich abgeschrieben vorkommen. Es ist unsere Berufung, auf sie zuzugehen, damit sie erfahren: Es gibt Hoffnung. Sie werden aufflackerndes Leben spüren, werden aus ihren Grabhöhlen herauskommen, aus dem Moder von Abhängigkeit, Selbstmitleid und Depression. Und unsere österliche Gewissheit wird erstarken.

 

P. Dr. Gerd Birk SVD