Hl. Damian De Veuster (g)

Predigtimpuls

Du bist – trotz allem – liebenswert -

Lesung: Röm 5,1-8
Evangelium: Joh 10,11-18

Damian De Veuster, Priester der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariä, Apostel der Aussätzigen und Märtyrer der Nächstenliebe.


Zwei Zeitgenossen urteilen
Heute möchte ich Ihnen einen Menschen vorstellen, der von zwei seiner Zeitgenossen ganz unterschiedlich gesehen und beurteilt wurde.
Sein Vorgesetzter schrieb über ihn: „Guter Ordensmann, guter Priester, sehr eifriger Missionar, doch übertriebener Einsatz für die Aussätzigen. Ich sage übertrieben, denn er kann nicht Maß halten, und manchmal bringt ihn sein übertriebener Eifer dazu, Dinge zu sagen, zu schreiben oder gar zu tun, welche die kirchliche Obrigkeit nur tadeln kann.”

Ein Mitarbeiter aber fand folgende Worte: „Er war immer bereit, alles, was er als seine Pflicht erkannte, mit großer Entschiedenheit anzugehen, und auch alles, was er irgendwie für gut hielt. Er stürzte sich kopfüber auf das, was er für das Wichtigste hielt, bis etwas anderes wichtiger wurde. Er warf sich dann auf die neue Aufgabe, so dass er eine Spur unerledigter Dinge hinter sich herzog. Doch hat er irgendwie alles zu einem guten Ende gebracht. Und wenn das Ergebnis etwas komisch war, sagte er: Na ja, aber wir können es doch gebrauchen.”
Zwei ganz unterschiedliche Beschreibungen eines Ordensmannes, den Papst Benedikt XVI in diesem Jahr heilig spricht. Er heißt: Pater Damian De Veuster.

Erfüllter Traum: Missionar
Pater Damian wird als Jozef De Veuster in einem kleinen belgischen Dorf 1840 ge¬boren. Er hätte Bauer werden und den Hof der Familie übernehmen können. Doch Jozef zieht es - wie schon drei seiner Geschwister - zum Ordensleben. Mit 19 Jahren tritt er in die Gemeinschaft von den Heiligsten Herzen ein, wo auch sein Bruder lebt.

Jozef erhält den Ordensnamen Damian. Als sein Bruder, bereits für die Mission bestimmt, erkrankt, meldet sich Damian, um dessen Platz einzunehmen. Und er erhält wider Erwarten die Erlaubnis, anstelle seines Bruders loszuziehen. Sein Traum, Menschen in fernen Ländern Gottes Frohe Botschaft zu bringen, geht in Erfüllung. Wie konkret ihn diese Botschaft einmal einfordern wird, ahnt er zu dieser Zeit nicht.

Nach 150 Tagen auf See kommt Damian an das Ziel seiner Reise: die Hawaii-Inseln im Pazifischen Ozean. Dort arbeiten schon seit mehreren Jahren Schwestern und Brüder seiner Gemeinschaft. Zu Pferd und zu Fuß ist Damian unterwegs zu den Menschen, die ihm anvertraut sind. Was er braucht, trägt er im Rucksack mit sich. Er bemüht sich, die Sprache der Hawaiianer zu lernen und auch ihre Sitten und Gebräuche zu verstehen. Beides gelingt ihm mehr schlecht als recht.

Der Ruf der Aussätzigen
Eines Tages – Damian ist seit etwa zehn Jahren auf den Inseln – erfährt er von den Zuständen auf Molokai: Wie ein Lauffeuer hatte sich die von Weißen eingeschleppte Lepra unter der einheimischen Bevölkerung ausgebreitet. Die Infizierten wurden im Auftrag der Regierung gejagt, festgenommen und nach Molokai deportiert: Ausgesetzt, zu Aussätzigen gemacht! Auf einer nur vom Meer her zugänglichen Landzunge vegetierten die Menschen dahin – bis sie qualvoll starben, mit verkrüppelten Händen und Füßen, mit entstellten Gesichtern und eitrigen Wunden.

Damian hört die Nachrichten von Molokai. Sie lassen ihn nicht zur Tagesordnung übergehen – ebenso wenig wie die biblischen Erzählungen, die er Tag für Tag gelesen, über die er Sonntag für Sonntag gepredigt hat: Geht es den Aussätzigen nicht wie jenem, der unter die Räuber gefallen war und nun am Straßenrand lag? Keiner kümmert sich, man macht einen großen Bogen oder schiebt ihn noch mehr in die Gosse. Waren die Aussätzigen nicht jene geringsten Brüder und Schwestern, denen Jesu besondere Sorge galt und die er auch unserer Sorge anvertraut hat? Waren die Ärmsten nicht die ersten Adressaten der befreienden und froh machenden Botschaft?

Leben auf Molokai
Nicht eine theoretische Antwort war auf diese Fragen möglich, sondern nur ein konkretes Handeln. Und so meldet sich Damian für den Dienst bei den Menschen auf Molokai. Mit der nächsten Fuhre wird er dorthin gebracht. Und die Realität, die sich ihm bietet, übersteigt bei weitem seine Vorstellungen. Zunächst bleibt er in sicherer Distanz, schläft draußen, beobachtet. Doch war Jesus in sicherer Distanz geblieben? Hatte er bloß schöne Worte gemacht und sich die Problemfälle vom Hals gehalten? Nein, er war auf die Menschen zugegangen, um ihnen von Gott her zu sagen und sie spüren zu lassen, dass sie liebenswert sind. Egal, wie sie aussehen, was sie mit sich herumschleppen und in was sie sich verstrickt haben.

Seine Botschaft: „Du bist liebenswert!”
Und dies versuchte auch Damian: dem hoffnungslos Kranken, dem aus der Gemeinschaft Ausgestoßenen zu sagen: „Du bist liebenswert! Ich bleibe bei dir. Ich helfe dir, weil du, dein Leben und Sterben, mich nicht kalt lassen.”
Damian besucht die Kranken in ihren Hütten, verbindet Wunden, steht den Sterbenden bei und begräbt sie. Sein Einsatz für die Noch-Lebenden und Schon-Sterbenden steckt an, weckt Lebensenergien bei den Totgeglaubten. Sie bauen mit an einer Wasserleitung, die die Leprasiedlung mit frischem Wasser versorgt, sie helfen, neue Holzhäuser zu errichten anstelle der alten Grashütten. Gemüse und Obstbäume wer¬den gepflanzt, eine Viehzucht begonnen, Feste organisiert und gefeiert. Molokai – der Ort des Schreckens – wandelt sich zu einem Ort, an dem menschenwürdiges Leben und Sterben möglich wird.

Ein „lästiger” Anwalt der Armen
Doch Damian genügt es nicht, nur die Lage vor Ort zu verändern. Er wird zur Stimme derer, die man abgeschoben und mundtot gemacht hat. Bei seinen kirchlichen Vorgesetzten und auch bei staatlichen Stellen setzt er sich für die Rechte der Aussätzigen ein. Er weist auf die Verantwortung aller für die Kranken hin – und lässt nicht locker. Lästig fällt er ihnen, unbequem ist er. Wer tagtäglich von solch unbeschreiblichem Elend umgeben ist, bittet nicht leise, sondern schreit die Not heraus und fordert – und darum sind sie gar nicht gut auf ihn zu sprechen. Die Beurteilung seines Provinzials haben Sie ja zu Anfang gehört.

Wer Nähe wagt, kommt nicht mit heiler Haut davon. Das muss auch Damian erfahren. Eines Tages verbrüht er sich den Fuß, ohne Schmerzen zu empfinden. Ein deutliches Zeichen, dass er sich angesteckt hatte. Nun ist er wirklich einer von ihnen, ganz solidarisch: ein Aussätziger unter Aussätzigen.

Statt sich zurückzuziehen, macht Damian weiter, sorgt dafür, dass Ordensschwestern und brüder nach Molokai kommen, um den Dienst an den Kranken weiterzuführen. Langsam, aber unaufhaltsam, schreitet die Krankheit bei ihm fort. Damian stirbt am 15. April 1889, 49 Jahre alt.

Viele Menschen hat das Leben Damians berührt. Viele waren dankbar für dieses Zeugnis gelebten Glaubens, für diese konkrete Antwort auf konkrete Nöte seiner Zeit. Viele wurden angeregt nachzudenken: wo werden bei uns und anderswo Menschen zu Aussätzigen gemacht, ausgesetzt, abgeschoben und abgeschrieben, und was kann ich da tun? Viele haben sich, angestoßen von seinem Wirken, gefragt: Wo steht einer im Abseits, dem es mal wieder gut tut, von mit zu hören „Du bist – trotz allem – liebenswert!”

Viele Menschen hat das Leben Damians berührt. Auch Sie?

 

Stefan Diefenbach