Darstellung des Herrn (F) – Tag des geweihten Lebens

Predigtimpuls

Tempel, das Mehr-Generationen-Haus mit Gott in der Mitte

Lesung: Mal 3,1-4
Oder: Hebr 2,11-12.13-18
Evangelium: Lk2,22-40

Bestimmt haben Sie schon einmal von einem Mehr-Generationen-Haus gehört. Die Idee, die hinter einem Mehr-Generationen-Haus steht, ist das aktive, generationsübergreifende Miteinander. So ein Haus versteht sich als ein Begegnungsort der Mitbewohner, an dem jeder Interesse am anderen zeigt. Dabei sind Gespräche und Erzählungen wichtig, aber auch das gemeinsame Planen und Durchführen von Aktivitäten sowie das gegenseitige Unterstützen bei anfallenden Diensten. So passen zum Beispiel Senioren schon mal auf Kinder auf und Kinder bringen für sie die Müllbeutel zum Container; Jugendliche erhalten außerschulische Lernangebote von Rentnern und erklären diesen ihrerseits, wie man ein Smartphone bedient. Eltern bringen den älteren Mitbewohnern Medikamente aus der Apotheke mit und erhalten wertvolle Ratschläge in Sachen Partnerschaft und Erziehung. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treffen aufeinander und ergeben eine reizvolle Gemengelage, die – bildhaft gesprochen – durch tiefe Wurzeln mit festem Stamm und flexiblen Ästen tolle Früchte bringen kann.

Im heutigen Evangelium treffen sich drei Generationen unter einem Dach, dem Tempel. Maria und Josef bringen den neugeborenen Jesus, um ihn nach dem jüdischen Gesetz dem Herrn zu weihen. Sie stoßen dabei auf die Senioren Simeon und Hanna. Beide kennen die uralten Traditionen und leben in den Verheißungen der Propheten. Und doch sind sie für ihre Generation untypische, zumindest aber sehr ungewöhnliche Vertreter. Denn so sehr sie auch mit der Vergangenheit leben, so sehr sind sie voll ausgerichtet auf die Zukunft und hellwach, wenn es darum geht, den richtigen Augenblick im Jetzt zu erkennen. Wahrscheinlich haben die beiden alten Tempelbeter schon unzählig viele junge Familien kommen und gehen sehen, die das vorgeschriebene Dankopfer für eine glückliche Geburt im Haus Gottes darbrachten – alles Normalfall. Aber jetzt ist der Spezialfall eingetreten, wie die Sechs mit Zusatzzahl im Lotto! Der kleine Säugling Jesus ist es, auf den sie gewartet haben; er ist es, von dem die Propheten geweissagt hatten: Er ist die Erfüllung der Verheißungen, die von alters her dem Volk Israel kundgetan wurden. Simeon und Hanna sind felsenfest davon überzeugt: Er ist die Zukunft unseres Volkes, ja viel mehr noch, das Licht für alle Völker.

Interessant – zwei Menschen, die dem Tode nahestehen, die doch eigentlich nichts mehr vom Leben zu erwarten haben, sind voller Hoffnung und Zuversicht. Sie bauen darauf, dass das Wichtigste noch kommt, und diese Haltung hält sie am Leben. Diese beiden Alten, Simeon und Hanna, zerstören unsere gängige Vorstellung über Senioren, dass sie sich nur zu gern an Altes und Vertrautes erinnern, in ihren Erinnerungen schwelgen, sie rosarot färben und schließlich glauben, dass früher alles – mit Ausnahme des NS-Regimes und des Krieges – viel besser gewesen sei. Denn diese beiden Alten brennen sozusagen darauf, noch etwas Neues zu erfahren, die Erfüllung der Zusage Gottes live mitzuerleben. Woher schöpfen Simeon und Hanna diese lebenserhaltende Hoffnung? Die Antwort gibt uns das Evangelium selbst. Beide kennen sich aus in den Schriften, dem Gesetz und den Propheten. Zudem leben beide eine ganz innige Beziehung zu Gott. So innig, dass Simeon, dem zuvor schon vom Heiligen Geist offenbart worden war, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe, von diesem Geist zur rechten Zeit in den Tempel geführt wurde. So innig, dass sich Hanna ständig im Tempel aufhielt und im entscheidenden Moment hinzutreten konnte. Die lebenserhaltende Hoffnung kommt also aus der ganz persönlichen Verbindung mit Gott, die sich äußert im Gebet und im spirituellen Vermögen, alles zur Ehre Gottes zu denken, zu reden und zu tun.

Simeon und Hanna sind wahre Hoffnungsträger, weil sie eine unglaublich große Hoffnung in sich tragen. Wer mit Menschen der letzten Lebensphase näher Kontakt hat, wird diese Erfahrung bestätigen können: Menschen, die einen guten Kontakt zu Gott pflegen, durch persönliches Gebet, durch regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten, durch liebevolle Dienste am Nächsten, die verspüren eine tiefe Hoffnung in sich. Sie lassen sich nicht von Selbstmitleid, von wehmütigem Zurückschauen auf vergangene Zeiten, von geistiger Flucht in sich selbst zurecht gemachte Räume übermannen. Sie schauen nach vorn und wagen einen Blick auf Gottes Wirken auch in heutiger Zeit. Glaube ändert die Blickrichtung. Das heißt nicht, dass auch diese Menschen Sorgen plagen, Trauer verspüren, Ängste und Zweifel haben. Aber sie gehen anders damit um. Sie besitzen eine Hoffnung und ein Gottvertrauen, die sie trotz menschlicher Beschränktheit befähigen, das von Gott zugesagte Leben und Heil in den Blick zu nehmen. Das macht zufrieden und dankbar, wie wir an Simeon sehen: „Nun lässt du Herr, deinen Knecht, wie Du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel!“ Die beiden reifen Personen, Simeon und Hanna, sind echte, ansteckende Hoffnungsträger.

Im normalen deutschen Sprachgebrauch allerdings werden als Hoffnungsträger solche Personen bezeichnet, in die große Hoffnungen gesetzt werden; das betrifft also vor allem junge Menschen mit bestimmten herausragenden Talenten und Fähigkeiten – denken wir nur an jugendliche Fußballspieler, die schon in der Bundesliga spielen. So ein junger Hoffnungsträger ist der kleine Knabe Jesus. Auf ihn bauen Simeon und Hanna. Er ist für sie der Neubeginn der Geschichte Gottes mit den Menschen. Auch wenn sie nicht mehr mitbekommen werden, wie und wo Jesus seinen Mitmenschen die Liebe Gottes nahebringt, so sind sie doch davon überzeugt: Wir sind dem Heilsbringer schon heute begegnet. Das macht froh.

Drei Generationen unter einem Dach. Drei Generationen, die vor allem eines eint, dass sie Hoffnung tragen, dass sie von Hoffnung erfüllt sind, dass sie die Hoffnung von der Vergangenheit in die Zukunft projizieren, dass sie mit der Hoffnung Gegenwart gestalten. Reihen wir uns am heutigen Tag, an dem wir auch den Tag der geistlichen Berufungen begehen, in die Schar der Hoffnungsträger ein.
 

P. Konrad Liebscher SVD