12. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Im Kontakt mit Jesus Vertrauen schöpfen, das uns von Angst befreit

1. Lesung: ljob 38,1.8-11
2. Lesung: 2Kor 5,14-17
Evangelium: Mk 4,35-41

Mir steht das Wasser bis zum Hals, sagen wir, wenn wir gewisse Situationen nicht mehr aushalten können. Das war auch die Erfahrung der Jünger Jesu. Die erfahrenen Fischer auf dem See Genezareth machen die Reise ihres Lebens. Vielleicht war es zuerst nur ein wenig Wind, der aufkam, vielleicht wurde das Wasser etwas kabbelig und der Himmel dunkler. Sie kannten ihren See und wussten, was jetzt kam. Aber dass es so schlimm werden würde, damit hatten sie nicht gerechnet. Ein großer Wind zieht nun auf, die Wellen schlagen ins Boot und lässt das Schiff auf den Wellen reiten. Die Macht der Naturgewalten tobt. Das Schiff wird hin und her geworfen, das Wasser steigt und steigt und mit ihm ihre Angst. Luft und Wasser zeigen sich von ihrer bedrohlichen Seite. Lebensbedrohlich für Leib und Seele. Die Jünger können die Situation allein nicht bewältigen. Todesangst, Panik und Verzweiflung breiten sich aus.

Wir alle kennen solche und andere Situationen aus eigenen, konkreten Erfahrungen oder Beobachtungen. Eben noch schien die Welt in Ordnung. Wir sind mit unseren alltäglichen Dingen beschäftigt und denken über das eine oder andere wie beiläufig nach. Wie aus dem Nichts bricht dann die Katastrophe herein. Todesangst, Bedrohung, Haltlosigkeit begegnen uns heute: An Corona stirbt ein lieber Mensch, mit dem wir das Leben bis eben noch geteilt haben. Plötzlich können uns Arbeitslosigkeit und der Verlust finanzieller Sicherheit drohen. An Leib und Leben bedroht fühlen sich viele durch Lebensmittel, die immer neue todbringende Stoffe enthalten. Von Gewalt und Terrorismus sind viele Menschen plötzlich und unerwartet getroffen. Da »steht uns das Wasser bis zum Hals«. Wie hereinbrechende Wellen und ein aufkommender Sturm erscheinen diese Erfahrungen und verbinden uns mit den Ängsten der Jünger.

Wo ist Gott in unserer Not? Schläft er? So fragen viele Menschen verzweifelt in einer solchen Situation. Im heutigen Evangelium wird uns erzählt, dass Jesus, der im selben Boot ist, trotz des heftigen Sturms, schläft. Die Jünger wecken ihn. Und neben dem Nichtbegreifen, wie er angesichts solcher Not schlafen kann, mischt sich sicher bei einigen der Zorn darüber, dass er das tut. Wo ist Gott in unserer Not? Liegt er da auch irgendwo herum und schläft? Ein allwissender, allgütiger und allmächtiger Gott müsste doch intervenieren! Die Seenot der Jünger führt sie nicht nur in diese existenzielle Not – Lebensgefahr –, sondern stürzt sie auch in Zweifel. Darum diese verzweifelte Frage der Jünger an Jesus: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“

Viele Menschen schließen sich an mit der gleichen Frage: Kümmert´s dich nicht, dass wir untergehen? So fragen auch die Menschen weltweit in dieser Krisenzeit; so fragen die Menschen in Indonesien nach der großen Flutwelle; so fragen unzählige Menschen, die wegen Krieg und Verfolgung auf der Flucht sind. Kümmert´s dich nicht, dass ich untergehe? – Fragt sie ihn, nachdem ihr der Arzt die Diagnose und ein langsames Sterben eröffnet hat. Kümmert´s dich nicht, dass ich untergehe? – Fragt sie ihn, nachdem ihr Mann sie verlassen hat, plötzlich und unerwartet. Kümmert´s dich nicht, dass ich untergehe? – Fragt der alte Mann, der es vor Schmerzen kaum noch aushält und einfach nicht sterben kann. Was nützt es, ihn im Boot zu haben, wenn der Sturm an meinem Leben rüttelt? Und er? – er schläft! Während viele Menschen um Leben und Tod ringen und ihr Lebensschiff in arger Bedrängnis liegt, „schläft“ Gott. Wenden sich nicht zahllose Menschen in ihren oft schrecklichen Lebensstürmen von einem „schlafenden Gott“ ab? Eine Vertrauensfrage!

Trotzdem hören die Jünger nicht auf, Jesus zu vertrauen. Die Ruhe Jesu provoziert die Jünger. Sie sind fassungslos, wütend. Aber sie wenden sich nicht ab. Sie bekommen Beine. Sie wecken ihn. Sie schreien sich ihre Angst, ihre Hoffnungslosigkeit von der Seele. Sie hadern mit Jesus, ihrem Lehrer. Ihre Verzweiflung ist groß. Und trotzdem hören sie nicht auf zu vertrauen. Nachdem sie ihn in ihrer Verzweiflung geweckt haben, stellt er sich den Naturgewalten entgegen, droht dem Wind und gebietet dem See, still zu sein. Hier wird sein Gottvertrauen sichtbar. Voll Vertrauen stellt er sich der Gefahr. Ja, schlagartig folgt eine große Stille.

Die große Stille ist die Zeit für wesentliche Fragen. Befreiend ist die Stille nach dem Sturm. Das Wasser liegt glatt und bewegungslos. Alles scheint wie immer. Und doch ist diese Ruhe eine andere als die vor dem Sturm. Eine große Stille. Alles fällt ab. Die Anspannung, der Stress, die Sorgen, die Angst. Sie versinken im See. Erleichterung, Befreiung, Ruhe breiten sich aus. Es ist alles noch mal gut gegangen. Erleichtert können wir uns fallen lassen. Das Boot fährt wieder in ruhigem Fahrwasser. Eigentlich könnte die Geschichte hier zu Ende sein. Doch die Stille danach macht nachdenklich. Die Stille danach ist die Zeit für große Fragen. Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? Was für zwei Fragen, die sich die Jünger hier gefallen lassen müssen. Anders formuliert könnten die Fragen auch so klingen: Wo ist euer Vertrauen geblieben? Glaubt ihr an das, was ich euch gelehrt habe? Es ist die Frage an die Jünger damals und auch an uns heute, wie tief diese Angst sitzt. Sitzt die Angst im Boot, in meinem Lebensboot – sozusagen als sein Steuermann? Steuern übersteigerte Ängste, übertriebene Sorgen mein Leben? Hat die Angst, die in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zu meinem Leben gehört, mich ganz in ihren Bann geschlagen? Frisst sie an meinem Grundvertrauen? An meinem Vertrauen in Gottes Fügungen, auch wenn sie für mich undurchsichtig sind? Dann, wenn ich aus meinen Ängsten und Bedrängnissen, aus Krankheit und Tod nicht so befreit werde, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Eines ist vom heutigen Evangelium klarer geworden. Wir schöpfen Kraft und Vertrauen nur im Kontakt mit Jesus. Liebe Gemeinde, Jesus hat gezeigt, dass in seinem Vertrauen auf Gott Stärke liegt, in seinem Glauben das Leben und nicht der Untergang. Wenn es uns also gelingt, bedrohliche Situationen anzunehmen, uns von Glaube und Vertrauen tragen zu lassen, dann werden wir Lebenszeichen, Zuversicht und Hoffnung aufspüren und daran wachsen. Im Kontakt mit Jesus dürfen wir Kraft und Vertrauen schöpfen. Diese befreien uns von unnötiger Angst. Das wünsche ich uns allen. Amen.

 

P. Xavier Alangaram SVD