4. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

„Christen leiden am Verlust der Freude und Dankbarkeit“

1. Lesung: Dtn 18,15-20
2. Lesung: 1Kor 7,32-35
Evangelium: Mk 1,21-28

Im heutigen Evangelium beginnt Jesus sein öffentliches Leben mit einem markanten Satz: “Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium (die frohe Botschaft).” Das erste, was Jesus tut: er ruft die ersten Jünger und sammelt sie um sich. Er heilt die Kranken und treibt die Dämonen aus.

Die Austreibung der bösen Geister sind wesentliche Bestandteile seiner Sendung und Zeichen des Anbruchs der neuen Welt, wo das Dämonische endgültig sein Ende findet. Die Menschen sind tief ergriffen von der Macht der Botschaft Jesu und der Wirkkraft seiner Verkündigung. Die Kunde davon kann nicht verborgen bleiben, sondern verbreitet sich in der ganzen Umgebung von Galiläa, also weit über Kapernaum und dessen engere Nachbarschaft hinaus. Viele Menschen haben heute Schwierigkeiten mit Dämonen und Besessenen, die in der Schrift vorkommen.

Deshalb ist es notwendig, hier kurz einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Phänomen zu machen:
Die Existenz von Dämonen ist eine in der Antike allgemein anerkannte Wirklichkeit. Auch für viele ursprüngliche Kulturen unserer Zeit ist das Wirken von Dämonen eine bedrängende Realität. Der Zweifel an der Existenz dämonischer Mächte ist ein Produkt westlicher Aufklärung. Aber auch aufgeklärte Europäer, die in Afrika oder Asien in eine solche ursprüngliche Kultur eintauchen, spüren oft etwas von dieser Wirklichkeit. Wir tun also gut daran, die antike Weltsicht ernst zu nehmen, ohne sie deswegen einfach für uns als überlebt zu übernehmen.

Die Symptome, die in den Beschreibungen von dämonischer Besessenheit genannt werden, scheinen oft – aber nicht immer – auf Zustände hinzuweisen, die wir heute als unterschiedliche Krankheiten diagnostizieren würden (z. B. Epilepsie, Schizophrenie, agitierte Depression o. ä.). Aber da diese Phänomene aus ganz unterschiedlichen Weltsichten gesehen und beurteilt werden, ist davor zu warnen, die damaligen Diagnosen durch heutige zu ersetzen. Es ist genauso problematisch zu sagen: Bei dieser Schilderung von Besessenheit handelt es sich »eigentlich« um eine Schizophrenie oder eine Epilepsie, wie umgekehrt hinter Symptomen psychischer Erkrankungen Besessenheit durch Dämonen zu vermuten. Die unterschiedliche Weltsicht ist zu respektieren.

Wichtig ist: Den von Dämonen Besessenen wird keine Schuld an ihrem Geschick zugeschrieben, weder von der Umwelt noch von Jesus. Insbesondere spielt die Frage nach einer Ursache durch okkulte Betätigung im Neuen Testament keine Rolle. Besessene sind Symptomträger einer von Mächten des Bösen (Mk 1,21) und der Zerstörung einer besessenen Menschheit, und darum ist ihre Befreiung durch Jesu Vollmacht ein wichtiges Zeichen dafür, dass in Jesus Gottes Herrschaft in die Welt einbricht und Heilung und Befreiung bringen will. (Walter Kleiber, Markusevangelium).

Die Dämonenaustreibungen Jesu sind also Kennzeichen seiner göttlichen Sendung und Vollmacht und haben deshalb eine christologische Bedeutung. Jesus erweist sich durch sie als Repräsentant der befreienden Herrschaft Gottes.
Die Herausforderung, die uns in diesen Berichten begegnet, besteht darin, die Botschaft von der befreienden Kraft Jesu ernst zu nehmen, ohne gleichzeitig alle ihre bildhaften Voraussetzungen übernehmen zu müssen. Die Herrschaft des Bösen zeigt sich uns heute in anderen Formen der Besessenheit.

Die ganze Geschichte der Menschheit durchzieht ein harter Kampf gegen die Mächte der Finsternis, ein Kampf, der schon am Anfang der Welt begann und nach dem Wort des Herrn bis zum letzten Tag andauern wird. In diesen Streit hineingezogen, muss sich der Mensch beständig darum bemühen, dem Guten anzuhängen, und er kann nur mit Gottes Gnadenhilfe davon [wovon?] befreit werden. Diese Mächte durchfilzen die sozialen Strukturen aller menschlichen Gesellschaften einschließlich die der Kirche.

Die Erfahrung des Bösen in uns selbst und in der Welt haben die Menschen zu allen Zeiten gemacht. Das Alte wie das Neue Testament bezeugen, dass Gottes Schöpfung von bösen Mächten durchdrungen ist und dass die Menschen ihrem negativen Einfluss ständig ausgesetzt sind. Das Böse wurde und wird als etwas gesehen und erfahren, das im Gegensatz zu dem steht, was Gott eigentlich mit seiner Schöpfung geplant und gewollt hatte. Paulus hat die Erfahrung des Dämonischen in seinem Leben so ausgedrückt:
„Ich weiß nämlich, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt: Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde.
Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist, obwohl ich das Gute tun will. Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht. … Es ergibt sich also, dass ich mit meiner Vernunft dem Gesetz Gottes diene, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde” (Röm 7,18-23.25b).

Das Reich Gottes und das Gegenreich des Bösen
Das Reich Gottes, das Jesus predigt, befreit von allem Dämonischen. Es ist ein Leben in Fülle, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Heil – die Zeichen der Neuen Welt. Wir alle wissen und erfahren Tag für Tag, dass dieses Reich, das mit dem historischen Kommen Jesu angebrochen ist, nicht unbehelligt ist. Es gibt feindliche Mächte in der Welt, die es zerstören wollen. Diese Mächte wirken in der Gesellschaft. Und sie wirken in jedem Einzelnen von uns. Wir alle werden schuldig in Worten und Taten an unserem Nächsten und an uns selber. Paulus spürte diese Macht in sich und wusste, wie schwer es war, es in sich zu besiegen.
Jedoch, während die Kulturpessimisten fürchten, dass wir dem Untergang geweiht sind, gehört zur christlichen Botschaft die unverzichtbare Hoffnung, dass im dramatischen Kampf der Geschichte Gott letztlich stärker ist als das Dämonische – welche Form der Verführung es in unserer Zeit annehmen wird. Wenn der Mensch sich Christus und seiner göttlichen Barmherzigkeit öffnet, kann daher die Kraft des Guten die Gewalt des Bösen überwinden. Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt. (M. Delgado, Der Mensch als Träger der Evangelisierung).

Wir sind dem Bösen nicht einfach ausgeliefert. Jeder Mensch hat eine Wahl. Jeder Mensch kann sich um das Gute bemühen. Das Böse lebt jedoch in jedem Menschen und zeigt sein Gesicht in all seinen Formen in den Strukturen unserer Gesellschaft.

Das Negative, kurz das Dämonische in unserer heutigen Welt, wird sich immer wieder in neuen Formen zeigen, solange diese Welt besteht. Der Kampf um Gerechtigkeit als die Grundforderung der Botschaft Jesu und als das Endziel der Schöpfung ist die Menschenliebe. Das Dämonische kann der Mensch von sich aus nicht meistern, dazu braucht er die Gnade Gottes, die allein den Menschen von den Dämonen in ihm befreien kann. Das aber verlangt vom Menschen, neben der Gnade Gottes, auch die Bereitschaft, sich umformen zu lassen in das Bild Jesu, wozu wir berufen sind.

Eine indianische Legende drückt diesen Sachverhalt sehr schön aus.
Die zwei Wölfe:
Um in diesem Kampf gegen das Dämonische in uns am Ende siegreich zu sein, erzählt uns die Geschichte von einem weisen alten Indianerhäuptling, der mit seinem Enkel am Lagerfeuer sitzt und über seine Lebenserfahrung mit ihn redet:
„Im Leben eines jeden Menschen gibt es zwei innere Wölfe, den weißen und den schwarzen Wolf. Beide ringen und kämpfen seit ewigen Zeiten miteinander um die Vorherrschaft in uns und damit in der Welt – und werden dies auch in Zukunft weiter tun.“
„Kämpfen diese Wölfe denn auch in meinen Herzen?“ fragte der Junge und legte seine Hand auf seine Brust. „Ja auch in deinem Herzen, nickte der Häuptling, auch in meinem Herzen, auch in dem deiner Schwestern und Brüder, deines Vaters und deiner Mutter. Sie leben und kämpfen im Herzen eines jeden Menschen. Doch die Wölfe unterscheiden sich nicht nur in der Farbe ihres Fells. Der schwarze Wolf fletscht die Zähne, er droht und knurrt und beißt, er ist rachsüchtig, grausam und gierig. Der weiße Wolf aber ist klug, sanft und liebevoll. Er liebt die Menschen und ist gütig und weise.“

„Den einen Wolf nennen wir Menschen böse oder auch falsch. Er steht für all die dunklen, schattenhaften Anteile in uns und arbeitet mit Trennung, Angst, Schuld, Selbstmitleid, Verleugnung, Unterdrückung, Betäubung, Depression, Isolation, Zwietracht, Egozentrik, Geltungssucht, Eifersucht, Neid, Gier, Maßlosigkeit, Habsucht, Genusssucht, Überheblichkeit, Intoleranz, Fanatismus, Dogmatismus, Zwang, Verhärtung, Erstarrung, Vorurteil, Verachtung, Destruktivität, Feindschaft, Wut, Gewalt und Hass.

Den anderen Wolf nennen wir Menschen gut oder auch richtig. Er schafft Verbindung, Vertrauen, Offenheit, Liebe, Großzügigkeit, Wohlwollen, Güte, Verständnis, Mitgefühl, Freundschaft, Friedfertigkeit, Rücksicht, Demut, Gelassenheit, Wahrhaftigkeit, Hoffnung, spielerische Heiterkeit und Visionen, Willensstärke und Durchhaltevermögen.“

Der Enkel schaut nachdenklich in die züngelnden Flammen des auflodernden Feuers. Nach einer Weile fragt er den Großvater: „Und welcher von den beiden Wölfen wird denn in mir letztlich gewinnen, Großvater?“

Der alte Häuptling entgegnet ihm:
“Der Wolf wird letztendlich in dir gewinnen, den du am häufigsten gefüttert hast!“

Es ist bedrückend, Tag für Tag im Fernsehen und in den Zeitschriften zunächst mit negativen Botschaften gefüttert zu werden. Viele Menschen lassen sich von diesen negativen Nachrichten anstecken mit dem Resultat, dass ihre Ansichten und Gefühle negativ ausfallen. Sie enden mit ihren Erwartungen im Negativen und füttern fleißig ihren schwarzen Wolf.

Die Päpste Franziskus und Benedikt sehen den eigentlichen Grund des heutigen Glaubensverlustes in der Kirche im Verlust an Freude und Dankbarkeit der Christen. Wir sollten den “Weißen Wolf“ in uns füttern und den Schwarzen vor die Tür setzen. Unsere Stimmung und unsere Freude als Christen drückt Paulus so aus:

Seid immer fröhlich! Hört niemals auf zu beten. Dankt Gott für alles; denn das erwartet er von seinen Kindern. Behindert nicht das Wirken des Heiligen Geistes. Hört auf das, was er euch sagt. Prüft alles sorgfältig und behaltet das Gute. Das Böse und Dämonische aber – gleich in welcher Form – meidet wie die Pest! (1Thess 5,16-22).

Und vergiss nicht, den Weißen Wolf zu füttern!
 

P. Dr. Johannes Füllenbach SVD