5. Sonntag der Osterzeit (B)

Predigtimpuls

In der „heiligen Kirche“ sind keineswegs nur Heilige

1. Lesung: Apg 9,26-31
2. Lesung: 1Joh 3,18-24
Evangelium: Joh 15,1-8
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir nennen uns Christen und bekennen damit unseren Glauben an Jesus Christus, bekennen eine Beziehung zu ihm. Wie sehen Sie diese Ihre Beziehung zu Christus, wie eng, wie tief oder wie locker? Ist Jesus für Sie wie ein ferner Chef, wie ein naher Freund, ein entfernter Bekannter…? Das heutige Evangelium haben Sie schon oft gehört, aber prägt es Ihren Blick auf Ihre Beziehung zu Jesus Christus (und zur Kirche)?

Wie eng Jesus diese Beziehung sieht, überrascht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige. Es geht also um eine Lebensbeziehung, denn uns ist sofort klar: Ein Ast oder ein Zweig bleibt nur so lange lebendig, wie er mit dem Stamm verbunden ist. In unserer Beziehung mit Jesus geht es nicht um das irdische Leben, sondern um das Leben, das uns in der Taufe geschenkt worden ist und das seine Fülle und volle Entfaltung nach diesem irdischen Leben finden soll in der ewigen Gemeinschaft mit Gott.

Jesus sagt uns in diesem Bild auch, dass Gott etwas von uns erwartet: Wir sollen Frucht bringen, reiche Frucht. Gott, der himmlische Vater selbst, sagt Jesus, bemüht sich darum und arbeitet an uns und in uns, damit wir immer mehr Frucht bringen. Jesus spricht von reinigen. Das kann bedeuten, dass der Vater uns etwas nimmt, was uns lieb ist, in das wir Kraft und Zeit investieren, das aber nicht zu der von Gott erwarteten Frucht beiträgt und insofern nutzlos ist. Wer keine Frucht bringt, ist nutzlos, wird vom Weinstock abgeschnitten und taugt nur noch als Brennholz.

Aber was ist denn die Frucht, die wir bringen sollen? Frucht entspricht dem jeweiligen Baum. Von einem Weinstock erwartet man keine Äpfel, Birnen, Pflaumen oder Orangen, sondern Weintrauben. Wenn Jesus der Weinstock ist, an dem wir Zweige sind, dann muss unsere Frucht Jesus Christus entsprechen und auf ihn hinweisen, es müssen also Haltungen und Taten sein, die aus der Liebe kommen und von Liebe sprechen.

Wenn wir im Johannesevangelium, aus dem das heutige Evangelium genommen ist, im Text etwas weitergehen, lesen wir: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe… Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als dass einer sein Leben für seine Freunde hingibt… Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.“

Jesus hat sein Leben für uns gegeben und uns so diese unüberbietbare Liebe vorgelebt, obwohl wir nicht einmal seine Freunde waren, sondern schwache sündige Menschen. Wenn wir nach dem Vorbild und Maßstab Jesu lieben sollen, sind wir herausgefordert; da geht es um viel mehr als darum, nett zueinander zu sein. Es geht um ein grundlegendes Wohlwollen gegenüber jedem Menschen; jedem wünsche ich und gestehe ich zu, was ich für mich selbst wünsche; ich bin sogar bereit, mich zu mühen und auch schmerzliche Einschränkungen für mich hinzunehmen, damit ein anderer die Chance bekommt, aus dem Elend herauszukommen und menschenwürdig zu leben.

Wer sich Christus verpflichtet weiß und als Christ leben möchte, der kann nicht fordern, unsere Tore und Grenzen zu schließen, um es uns innerhalb der Grenzen gut gehen zu lassen, während an unseren Grenzen, vor unseren Türen, Menschen elend zugrunde gehen. Er muss sich solidarisch zeigen.

Im Bild vom Weinstock mit seinen Zweigen zeigt Jesus uns auch Kirche. Ich kann Jesus nicht isoliert für mich haben, ohne alle anderen, die mit ihm verbunden sind, sondern nur zusammen mit ihnen. Zu Christus gehört die Kirche.

Aber da stellen wir fest, in der „heiligen Kirche“ sind keineswegs nur Heilige, selbst in leitenden Positionen finden wir Männer, die schwer versagt, schwer gesündigt haben und auch weiterhin versagen. Eine schwere Hypothek für die Kirche. Aber Gott hat nur schwache, sündige Menschen und tut mit ihnen und durch sie sein Werk. Auch durch uns. Und an jedem arbeitet der himmlische Vater, sucht ihn von Fruchtlosem zu befreien und zu größerer Fruchtbarkeit zu verhelfen. Aber er braucht dazu auch unsere Offenheit und unsere Mitarbeit.
 

P. Lothar Janek SVD