4. Sonntag der österlichen Bußzeit (B)

Predigtimpuls

“Ich will … eine freie und fröhliche Frömmigkeit“

1. Lesung: 2Chr 36,14-16.19-23
2. Lesung: Eph 2,4-10
Evangelium: Joh 3,14-21
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Vor beinahe 50 Jahren machte das Institut für Demoskopie in Allensbach eine Umfrage unter den deutschen Katholiken. Die Gründerin des Instituts, die im Jahr 2010 verstorbene Frau Elisabeth Nölle, interpretierte seinerzeit die Umfrageergebnisse. Dabei stellte sie unter anderem die These auf, Menschen, die der Kirche nahestehen, sähen weniger glücklich aus. „Lebensfreude – kein Thema für die Kirche?“ lautete der Titel ihres diesbezüglichen Aufsatzes in der „Herder Korrespondenz“ (28,1974, S. 41-47).

Zu diesem Befund scheint Violett als die Farbe der Fastenzeit recht gut zu passen. Violett, die Farbe der Trauer, der Buße und der Umkehr steht uns Katholiken zu Beginn der 20er Jahre allemal gut, bringt sie doch zum Ausdruck, dass auch wir Katholiken es wirklich ernst meinen mit unserer Trauer über all die Schwächen und Verfehlungen, die Sünden und Verbrechen, die wir auf uns geladen haben.

Dass dies, so sehr es auch zur Fastenzeit passt, aber nicht einfach alles sein kann, das wusste die Kirche auch. So benutzt sie seit vielen Jahrhunderten am Sonntag nach dem Mittfasten für die liturgischen Gewänder die Farbe der Rose: Rosa. Der tiefere Sinn dieses kirchlichen ‘Stoffwechsels’ besteht darin, dass das durch rosa abgemilderte Violett den Freudencharakter des Sonntags ‘Laetare’ auch sichtbar vor Augen führen sollte.

Der Ursprung jedoch dieses freudig-fröhlichen Charakters des 4. Fastensonntags liegt in einem alten römischen Brauch. Dort feierte man an diesem Sonntag den Sieg des Frühlings über den Winter und trug bei den Feiern Rosenblüten mit sich. Dieses Fest war dermaßen im Volk beliebt, dass selbst der Papst überzeugt war, dieser Brauch müsse Eingang in die römische Liturgie finden. Statt der natürlichen Rosenblüten benutzt er seit dem 11. Jahrhundert kostbare goldene Rosen. Er weiht sie und verschenkt sie an Mitarbeiter oder Institutionen. Papst Benedikt XVI. verlieh sie sogar achtzehnmal.

Durch die römischen Frühlingsbräuche und die Messtexte wurde mitten in der strengen Fastenzeit etwas von der Freude am Leben auch in der Liturgie zum Ausdruck gebracht. Lebensfreude und christliches Leben gehören eng zusammen. Wer daran glaubt, dass Gott die Welt und die Menschen liebt und retten will; wer sich durch Jesus Christus erlöst und mit dem neuen Leben beschenkt weiß; wer trotz so vieler belastender Erfahrungen des Alltags etwas von der inneren Freiheit spürt, die Jesus uns vorgelebt hat; wer darauf hofft, dass die Leidensgeschichten unserer Welt nicht das letzte Wort haben, der kann und darf sich am Leben freuen und dieser Freude Ausdruck geben.

Leider lassen sich solche Glaubenserfahrungen, die einem das Herz ruhig, gelassen und froh werden lassen, nicht produzieren. Erst gar nicht lässt sich Lebensfreude erzwingen. Sie ist und bleibt ein Geschenk. Diesem Geschenk lässt sich allerdings auch ein wenig nachhelfen.

So hat der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert in einer kleinen Schrift mit dem Titel ‘Gegen die Traurigkeit des Gemüts’ einige Ratschläge zusammengestellt. Damit die Freude sich in unserem Leben verwurzelt und auch zu wachsen beginnt, zählt dieser Startheologe der Kirche die folgenden ganz banalen alltäglichen Dinge auf:

- Genießen können: Das Genießen ist die Haltung des Menschen, der die Schöpfung Gottes als Geschenk ansieht und dafür dankbar ist. Wer nicht gelernt hat zu genießen, hat einfach noch nicht genug nachgedacht über das, was Gott ihm im Laufe des Lebens geschenkt hat und jeden Tag schenkt. Wer nicht genießen kann, wird am Ende ungenießbar.

- Schlafen: Schlafen zeigt am deutlichsten, dass ein Mensch loslassen kann, dass er sich lösen kann von all dem, was tagsüber auf ihn eingeströmt ist. Wer schlafen kann, zeigt Gottvertrauen. Solche Menschen leben aus der Einsicht, dass das Heil nicht von der eigenen - unermüdlichen - Leistung kommt.

- Das dritte, das der heilige Thomas nennt, ist, man mag es kaum für möglich halten, das Schwimmen. Er ist überzeugt, dass, wer schwimmt, die richtige Balance zwischen Bewegung und Getragenwerden lernt; wer schwimmt, lernt die richtige Mischung zwischen Spannung und Entspannung, zwischen Aktivität und Gelassenheit.

- Dann nennt er das Weinen: Weinen wirkt befreiend, es macht ruhig und gelassen; auch ist das Weinen ein Zeichen der Ehrlichkeit und echter Menschlichkeit: Tränen lügen nicht - sang in meiner Jugend einmal Michael Holm.

- Mit Freunden sprechen: weil man im Gespräch mit guten Freunden sich fallen lassen kann und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss; im ungezwungenen Gespräch mit Freunden weitet sich der Horizont und es erschließen sich manchmal ganz überraschende neue Lebensmöglichkeiten.

- Und schließlich nennt er als Weg zur Freude das Beten, weil ja der Mensch, der betet, sein Leben im Beten in Gottes Hände gibt; ein solcher Mensch löst sich aus der verkrampften und verkrampfenden Haltung, alles selber machen zu müssen.

Der heilige Thomas war nicht der einzige, der mit seinen Ratschlägen der Freude der Christen an der Frohen Botschaft nachhelfen wollte! Unter den Sprüchen der vielen anderen Heiligen, die Lebensfreude und Glauben miteinander verbunden haben, denke ich vor allem an einen Spruch von Franz von Sales: “Ich will keine absonderliche, unruhige, traurige und verdrossene Frömmigkeit, sondern eine milde, sanfte, angenehme und friedliche, mit einem Wort: eine freie und fröhliche Frömmigkeit, die liebenswürdig ist vor Gott und den Menschen.“
 

P. Dr. Bernd Werle SVD