Frohsinn

Der Schriftsteller, Karl Kraus, notierte in sein Tagebuch den Satz: „Man muss oft erst nachdenken, worüber man sich freut, aber man weiß immer, worüber man traurig ist.“

Fast alle Menschen glauben für den Frohsinn keine, und für die Trauer viele Gründe zu haben, und sind jederzeit geneigt, die eintönige Melodie ihrer Klagelieder anzustimmen: das Klagelied von der schlimmen Zeit, den widrigen Verhältnissen oder Krankheiten, die sie zu bestehen haben; und das Klagelied von der geringen Anerkennung und dem Unverständnis, das man ihnen gegenüber zeigt. 

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, sooft man die Gespräche der Menschen anhört, dass das Schöne, das, was glücklich und zufrieden macht, nicht vorkommt. Gerade da, wo Überfluss und Wohlstand herrschen, und gerade bei denen, die zu den Bevorzugten gehören, sind Zufriedenheit und Frohsinn auffallend selten anzutreffen. Mit dem Wohlstand scheint die Unzufriedenheit zu steigen. Konsum und materielle Güter scheinen Missmut und düstere Stimmungen hervorzurufen. Nicht einmal die moderne Vergnügungsindustrie hat es mit ihren überreichen Angeboten geschafft, die Menschen zufriedener zu machen. Sie kann es nicht, weil das Zufriedensein etwas Geistiges ist und nicht vom Haben abhängt. Jean Paul meint: „Man kann einen seligen und seligsten Tag haben, ohne etwas anderes zu brauchen als blauen Himmel und grüne Frühlingserde.“ – Oft liegt das Frohmachende vor unseren Füßen. Wir müssten oft nur unsere zugekniffenen und in die falsche Richtung schielenden Augen öffnen und uns den Dingen und den Menschen zuwenden, von denen etwas Positives ausgeht, und die Erinnerungen aus dem Gedächtnis holen, die Freude in uns auslösen können.


Walter Rupp, SJ