Kinderuniversität

Die Kinderuniversität macht die Kinder überglücklich, weil sie nun ihre Fragen nicht mehr Eltern oder Lehrern,

sondern Dozenten stellen dürfen, die die Antwort wirklich wissen. Eltern stellen mit Erstaunen fest, wie ihre Kinder, die doch den Unterricht zuweilen hassen, in einem Hörsaal, auf einmal verstehen, was sie in einem Klassenzimmer nicht verstanden haben. Sogar Einsteins Relativitätstheorie begreifen sie problemlos. Es ist doch klar, dass man sich über eine schlechte Note länger ärgert als über eine gute freut; dass die Zeit vor einem Fernsehgerät schneller als eine Schulstunde vergeht; und eine Nacht umso kürzer ist, je später man sich ins Bett legt. Die Professoren können sich nicht genug darüber wundern, wie aufmerksam die Kleinen ihren komplizierten Überlegungen folgen und finden daran Gefallen, wenn ihnen die Kinder durch lautes Lachen das seltene Gefühl vermitteln, es sei ihnen nach Jahren wieder einmal ein Scherz geglückt.
Die Kinder, die darunter leiden, dass man ihnen im Kindesalter Märchen erzählt, statt sie mit den Erkenntnissen der Wissenschaft vertraut zu machen und die man noch immer zwingt, an einer Schule herumzusitzen, bis sie zur Universität zugelassen werden, hoffen nun, dass man auch sie in Forschungslabors, herumexperimentieren lässt, bis auch ihnen Erfindungen gelingen, und dass man bald auch die Kinderpromotion erfindet! Denn wenn Kinder schon als Kinder wissen, was Erwachsene wissen sollten, werden sie als Erwachsene nicht mehr studieren müssen.


Walter Rupp, SJ