Original

Es gab nie einen und wird nie einen Menschen geben, der so ist, wie schon einmal ein anderer war.

Der Mensch mag in milliardenfachen Exemplaren existieren und einem anderen Menschen noch so frappierend und zum Verwechseln ähnlich sein, sicher ist: Es gab nie einen und wird nie einen Menschen geben, der so ist, wie schon einmal ein anderer war. Jeder, der in diese Welt eintritt, bringt ein Erbgut mit, das nur ihm mitgegeben wurde. Jeder wird in eine bestimmte Umwelt hineingestellt, die ihn prägt, und jeder erlebt sein eigenes Lebensschicksal, das ihn zu dieser unverwechselbaren, nicht austauschbaren, einmaligen Persönlichkeit macht. 

Unerklärlich bleibt, weshalb sich mancher, aller Vernunft zum Trotz, gegen diese wunderbare Tatsache nach Kräften stemmt. Statt sich über seine Individualität zu freuen, hat er sich in den Kopf gesetzt, wie ein anderer zu sein. Er wünscht sich vielleicht nicht dessen Nase, aber doch ein ähnliches Profil. Er möchte so überzeugend wie dieser andere reden, ebenso erfolgreich sein und ebenso gewandt auftreten können. Er giert so sehr danach, bis er schließlich nicht mehr merkt, wie er dessen Gehabe äffisch imitiert und sich dabei um die Züge, die zu ihm passen, nicht bemüht. Um wie dieser andere sein zu können, steigert er sich sogar in einen irrationalen Selbsthass hinein, wertet die ihm von Natur geschenkten Gaben ab und bekämpft sie. Er will nicht - weil er sie negativ sieht -, dass sie sich entfalten, und ruht nicht eher, bis das an ihm Liebenswerte, das, was verdient hätte, gepflegt zu werden, gänzlich verkümmert ist. Am Ende mag er sich selbst nicht mehr und kann doch der von ihm beneidete andere nicht werden, höchstens eine schlecht gelungene Kopie, eine Zwittergestalt, die etwas Eigenes und Fremdes an sich hat, eine in jeder Hinsicht bemitleidenswerte und lächerliche Kreatur.


P. Walter Rupp, SJ