Pessimist

Wenn einem eingefleischten Pessimisten ein Stein vom Herzen fällt, dann fällt er ihm bestimmt auf den Fuß.

Wenn einem eingefleischten Pessimisten ein Stein vom Herzen fällt, dann fällt er ihm bestimmt auf den Fuß. Jede Panne dient ihm als Bestätigung, dass alle Welt sich gegen ihn verschworen hat. Auch die Psychotherapeuten wissen nicht so recht, wie sie den Pessimismus behandeln sollen: wie einen Virus, der zwar tückisch, aber therapierbar ist, oder wie eine Erbanlage, mit der man sich - wie mit einer Seh- oder Gehbehinderung – abfinden muss.

Hat sich der Missmut erst einmal in einem Menschen festgesetzt, ist er kaum noch zu vertreiben, zumal so manchem Pessimisten gar nicht so viel daran zu liegen scheint, seinen Pessimismus loszuwerden, sondern sehr viel mehr daran, dass auch andere mit ihm weinen, ja dass er sich erst zufrieden gibt, wenn es ihm gelungen ist, auch andere für seinen Pessimismus zu gewinnen. Mancher Pessimist klammert sich an seinen Pessimismus und scheint in der ständigen Furcht zu leben, man könnte ihm den nehmen. Um zu beweisen, wie düster die Welt ist, zieht er die Vorhänge seines Zimmers zu, dass kein Sonnenstrahl eindringt, und wacht argwöhnisch darüber, dass um ihn herum keine fröhliche Stimmung aufkommt. Pessimisten haben etwas Tyrannisches an sich: sie dulden nicht, dass ihre Umgebung nicht bereit ist, sich von ihrer trüben Stimmung anstecken zu lassen. 

Mit einem Pessimisten sollte man nicht diskutieren, ob die Welt nun hell oder finster ist. Das wäre Zeitverschwendung. Man sollte ihn vielmehr überreden, die Vorhänge vor dem Fenster seines Zimmers zurückzuziehen.


P. Walter Rupp, SJ