Wörter

Noch 100 Jahre Zeitungen, und alle Worte stinken

Nietzsches Warnung: „Noch 100 Jahre Zeitungen, und alle Worte stinken“, mag übertrieben sein. Die Befürchtung ist jedoch angebracht, dass der enorme Wortverschleiß, den sich die Mediengesellschaften leisten, unseren Wortschatz so beschädigt, dass bald Dutzende von Wörtern aussortiert werden müssen. Die Nazipropaganda ging barbarisch mit den Wörtern um. Sie schaffte es, dass bislang unbescholtene Wörter wie Volksgemeinschaft, Heil, Gehorsam oder Pflichterfüllung ungenießbar wurden und man bei den Worten Sonderbehandlung, Aus- und Gleichschalten, End-Artung und End-Lösung nur noch Ekel empfinden kann. Die Linksdiktaturen, die bis zum Überdruss vom Kollektiv, von Friedenslagern, Planzielen, Werktätigen oder Aktivisten schwatzten, haben damit erreicht, dass man diese Worte wie Ungeziefer meidet. Und wenn wir Heutigen weiter so unbedacht von der Bildungsmisere, der Chancengleichheit, Altersvorsorge, Arbeitsplatzgarantie, Kinderbetreuung, Willkommenskultur oder der Flexibilisierung reden, wird man auch diese Wörter nicht mehr hören können und als Unwörter entsorgen. 

Goethe, der als Dichter mit der Sprache ehrfürchtig umzugehen verstand, empfahl, damit sie nicht verkommt, die Sprach-Hygiene. Wir nehmen zu oft und gedankenlos ausgelutschte Worte, die ein anderer ausspuckte, und an denen noch der Speichel hängt, ohne sie zu spülen, in den Mund. Auch Wörter muss man reinigen, sonst werden sie schal und verlieren den Geschmack.


P. Walter Rupp, SJ