Zweifel

Zweifel müssen sein, denn ohne eine geistige Auseinandersetzung, ohne die Gegenüberstellung der vielen Für und Wider gibt es keine Klarheit.

Nicht nur der Gläubige wird von Glaubenszweifeln geplagt und von der Frage belästigt, ob er nicht einer Illusion erlegen ist. Auch der Ungläubige hat seine Glaubenszweifel: den Zweifel, ob er denn seinen Unglauben ausreichend begründen kann? Ob er den Glauben, den er ablehnt, wirklich kennt? Und warum Menschen – die nicht weniger vernünftig und gebildet sind – das glauben können, was er verwirft? 

Zweifel müssen sein, denn ohne eine geistige Auseinandersetzung, ohne die Gegenüberstellung der vielen Für und Wider gibt es keine Klarheit. Man sollte deshalb Glaubensprobleme niemals unterdrücken und Dogmen hinterfragen, wenn man sich nicht mit einer blinden Annahme zufrieden geben will. Eine naive, unkritische oder gar blinde Glaubensbereitschaft war immer schädlich und hat den Menschen für das, was er vermeiden sollte, anfällig gemacht: für Schwärmerei, Sektierertum und Aberglauben. 

Zweifel werden leider meist zu negativ gesehen: als mangelnde Glaubensbereitschaft oder als ehrfurchtsloses Rütteln an Überzeugungen, die man zu respektieren hat. Wer aber nicht im Vorfeld des Glaubens stehen bleiben, ihn verstehen und verständlich machen will, muss den Mut besitzen, keine Frage zurückzuhalten.

Der Kirchenlehrer Augustinus sah den Zweifel hilfreich und positiv. Er stellte fest: „Wenn jemand zweifelt, will er sicher sein; wenn er zweifelt, denkt er; wenn er zweifelt, weiß er, dass er etwas nicht weiß; wenn er zweifelt, urteilt er, dass er seine Zustimmung nicht blind geben sollte.“

Solange der Zustand, in dem sich der Mensch befindet, nur ein dürftiges Erkennen zulässt, wird er sich von der Unsicherheit des Geistes nie ganz befreien können. Der Zweifel und die Frage können zur Versuchung werden, sie können aber auch Ausdruck echten Suchens und der Anfang eines religiösen Aufbruchs sein.


P. Walter Rupp, SJ