Eigenschaften

Eigenschaften sind wichtige Gebrauchsartikel und im Alltag unentbehrlich.

Den Menschen gibt es sicher nicht, der von Natur aus entweder keine oder nur schlechte Eigenschaften mitbekommen hat. Denn die Natur rüstet jeden mit guten Eigenschaften aus, weil sie nur gute Eigenschaften hat. Allerdings wachsen sie nicht von selbst und ohne unser Zutun. Wir müssen sie, wie zarte Pflänzchen, beschneiden und veredeln, aufmerksam pflegen und vor den Witterungseinflüssen schützen, sonst kann geschehen, dass sie wuchern, verkümmern, sich verbiegen oder eingehen. 

Eigenschaften sind wichtige Gebrauchsartikel und im Alltag unentbehrlich. Es ist allerdings nicht gleichgültig, wie man sie einsetzt: Entgegenkommen ist ohne Frage etwas Gutes, aber nicht in jedem Falle richtig: man sollte Entgegenkommen aus Rücksichtnahme zeigen, aber nie aus Menschenfurcht. Wahrhaftigkeit ist eine lobenswerte Sache. Man sollte mit ihr dem Irrtum und der Heuchelei entgegentreten, sie aber nicht als Instrument benutzen, um die Schwächen anderer bloßzustellen. Durchsetzungsvermögen ist nur dann verwerflich, wenn einer auf Kosten anderer den eigenen Vorteil zu erreichen sucht, aber nicht, wenn er damit denen zu Hilfe kommt, die sich selbst nicht helfen können. Und Einsatzbereitschaft, Gehorsam oder Treue verlieren immer dann das Anrecht, Tugend genannt zu werden, wenn man damit der falschen Sache dient. 

Es ist schade, dass Eigenschaften häufig schlecht oder nicht zusammenpassen: dass die Klugen häufig feige sind und ihre Überzeugungen verstecken; dass die Mutigen selten ihren Verstand gebrauchen und sich zu Abenteuern oder Untaten verführen lassen; dass die Idealisten sich leicht in Ideen verlieben, gerne träumen und deshalb ohne Realitätssinn sind; dass die Tüchtigen, in ihrer Sucht, etwas zu erreichen, sich mit dem kurzfristigen Erfolg zufrieden geben und nicht die nötige Geduld aufbringen; und dass die Dummen häufig fleißig sind. 

Jede Eigenschaft sollte sich mit einer anderen, von der sie profitieren kann, vermählen. Die Klugheit mit dem Mut; der Idealismus mit dem Realismus; die Tapferkeit mit der Kritikfähigkeit und Skepsis; und die Tüchtigkeit mit der Geduld. Wenn jeder mit seinen Eigenschaften umginge wie der Maler mit den Farben und seine Eigenschaften miteinander mischen würde, könnte er sie vermehren; und mit demselben Einsatz mehr erreichen. 


P. Walter Rupp, SJ