Phantasie und Wirklichkeit

Jede Zeit bringt Gestalten hervor, die wir aus den Märchen kennen:

Märchen beginnen mit: „Es war einmal“. Sie erzählen, was irgendwo und irgendwann, in einer weit zurückliegenden Zeit geschah, in der es Riesen, Zwerge, Zauberer und Helden gab, ja sogar Tiere redeten. Märchen sind voll von merkwürdigen Gestalten, merkwürdigen Ereignissen und Wundern. Wir fragen uns: Sind diese Geschichten nur reine Fabeleien oder gab es einmal eine Zeit, in der alles anders war? Kann die Phantasie überhaupt etwas erfinden, was es nie gab? Oder sind Märchenerzählungen Geschichten, von denen nur ein Wahrheitskern übrig blieb? 

Jede Zeit bringt Gestalten hervor, die wir aus den Märchen kennen: den König, der schier alles hat, womit er glücklich werden könnte und doch nicht glücklich wird; die mit übermenschlichen Eigenschaften ausgestatteten Helden, deren Großtaten in aller Welt bewundert werden; die Zauberkünstler, die kühne Träume wecken und erfüllen können und als Wundertäter angesehen werden, weil ihnen schier alles gelingt, die in Wahrheit aber Scharlatane sind; die Riesen, die mit ihrer Macht als unbesiegbar gelten und jeden einzuschüchtern verstehen; und die vielen Zwerge, die unbeachtet Tag für Tag ihre Arbeit tun, und keine Anerkennung finden. Märchenwelt und Wirklichkeit unterscheiden sich oft wenig oder nicht. Aber dass das Gute immer siegt und das Böse immer unterliegt, das kommt nur in Märchen vor. 


P. Walter Rupp, SJ