Riesen und Zwerge

Riesen, die mit magischen Kräften ausgestattet sind, und Zwerge, die sich in Höhlen verstecken, kommen nicht nur in Märchen vor.

Riesen, die mit magischen Kräften ausgestattet sind, und Zwerge, die sich in Höhlen verstecken, kommen nicht nur in Märchen vor. Es gibt sie wirklich. Sie treten in jeder Epoche der Geschichte auf, wo sie Großtaten vollbringen: Burgen und Paläste bauen, unbesiegbare Heere besiegen und große Länder unterwerfen. Und es gibt die Zwerge, die wie Heinzelmännchen, unerkannt und unbeachtet, unermüdlich Lasten schleppen. Sie trägt man nicht in ein Geschichtsbuch ein, weil man ihre Namen nicht kennen will und kennt.  

Riesen gibt es auch in unserer Zeit. Manchmal treten sie als Wissenschaftler auf mit einer revolutionären Entdeckung, manchmal präsentieren sie als Künstler ein überzeitliches Werk, manchmal gelingt ihnen ein Bestseller und manchmal treffen sie in der Politik eine wichtige Entscheidung. 

Hohe Ämter: das Richteramt, das Gesundheitswesen, den Parteivorsitz, die Theaterintendanz oder die Finanzen werden gewöhnlich einem Riesen anvertraut, die Bildung überlässt man gern den Zwergen. 

Ein Zwerg, der sich hocharbeiten möchte, darf sich nicht auf sein Talent verlassen. Er ist dabei auf die Kooperation der Medien angewiesen. Sie können über Nacht einen lächerlichen Wicht zu einer Persönlichkeit umgestalten, an der man nicht mehr achtlos vorübergehen kann. 

Wer kann verstehen, warum die Evolution keine stete Aufwärtsentwicklung ist und sehr kleine und sehr große Menschen hervorbringt? Ja warum nicht alle Menschen Riesen werden, sondern sich mit ihrem Zwergen-Dasein abfinden müssen?


P. Walter Rupp, SJ