Werte

Unsere Zeit hat die Wertehierarchie weithin auf den Kopf gestellt.

Unsere Zeit ist gewiss nicht amoralisch. Sie hat weder die Zehn Gebote noch die alten Werte abgeschafft. Aber sie hat die Wertehierarchie weithin auf den Kopf gestellt. Obenan stehen heute nicht mehr – wie einst – die Verpflichtungen gegenüber Gott. Obenan stehen die humanen Werte wie Solidarität und Toleranz und das, was für die Lebensqualität von Bedeutung ist: Gesundheit, Ansehen in der Gesellschaft und Fortkommen im Beruf. Die Religion gehört bei vielen - wie Kultur und Bildung - zu den Luxusgütern, die das Leben zwar bereichern können, aber zu entbehren sind. 

Vielen ergeht es wie der Schriftstellerin Karin Struck: „In mir“, schreibt sie, „rumoren alle Widersprüche der Zeit. Die "Bevölkerungskatastrophe" wird einem täglich als die größte Bedrohung der Menschheit dargestellt. Ich dürfte ja längst nicht mehr am Leben sein. Ich nehme vielleicht anderen, die wertvoller sind als ich, die Luft weg … Woher diese Leute ihre Weltmaßstabe nehmen? Früher fragten die Jungen bei Tanz-Vergnügungen die Mädchen: Bist du katholisch oder evangelisch? Heute: nimmst du die Pille?“

Es entstand ein moralisches Ungleichgewicht. Fast unmerklich hat sich die Gewichtung zugunsten der Sachwerte verschoben. Man sollte deshalb den künftigen Generationen raten, als Auto auf die Welt zu kommen und nicht als Mensch, dann wäre ihr Leben besser geschützt. Die Balance zwischen dem Schutz der Güter und dem Schutz des Lebens stimmt nicht mehr. Es ist an der Zeit, sie wieder herzustellen.


P. Walter Rupp, SJ