Autorität

Die Autoritäten von einst waren Ehrfurcht heischende Respektspersonen.

Die Autoritäten von einst waren Ehrfurcht heischende Respektspersonen. Sie waren auf Distanz bedacht, ließen sich in keine Debatten ein und erwarteten, dass ihre Anweisungen widerspruchslos angenommen wurden. 

Es war an der Zeit, an diesem Autoritätsverständnis zu rütteln und an dem überkommenen Führungsstil Korrekturen vorzunehmen. Wir sind heute der Auffassung, dass ein Vorgesetzter, der wegen seiner Stellung noch nicht der Bessere ist, nur Primus inter pares sein sollte, ein Erster unter Gleichen. Er sollte kein absolutistisches Gebaren zeigen, sondern sich um partnerschaftliche Kooperation bemühen und den Mitarbeitern einen Entscheidungsspielraum gewähren. Und wenn er Kritik akzeptiert und Fehler eingesteht, wird sein Ansehen dadurch keinen Schaden nehmen. 

Goethes Vater konnte noch seinen Sohn Wolfgang in allen Fächern unterrichten. Welcher Vater wäre heute - wäre er auch Lehrer - dazu in der Lage? In unserer Zeit muss sich selbst ein Fachmann auf ein immer kleineres Fachgebiet spezialisieren: der Arzt auf das Gehirn, auf Augen oder Herz; der Historiker auf bestimmte Epochen der Geschichte; der Theologe auf das eine oder andere Buch des Alten oder Neuen Testamentes. Auch ein Fachmann wird anerkennen müssen, dass es neben ihm noch andere gibt, die von seinem Fachgebiet etwas verstehen. 

Der Wandel im Autoritätsverständnis musste kommen. Die Autoritäten, die den Anspruch erheben dürfen, einen klareren Überblick zu haben und wirklich überlegen sind, wird es künftig immer seltener geben. An ihre Stelle müssen Autoritäten treten, die sich in Frage stellen können und verstanden haben, dass eine Entscheidung profitiert, wenn man den Rat derer einholt, die Sachkenntnis besitzen.


P. Walter Rupp, SJ