Denken II

Platon, der große Philosoph und Denker, war der Überzeugung, jede Idee sei nur das Abbild, nur die Kopie einer Ur-Idee, die von Ewigkeit her existiert.

Der Zweifel ist angebracht, ob sich der Mensch zu Recht als das denkende Wesen bezeichnet, macht er doch von dieser Fähigkeit zu denken – die manche Anstrengung verlangt - keinen allzu häufigen Gebrauch. Aber was geschieht denn, wenn wir denken? Die einen sagen: Wer denkt, legt Flügel an. Er macht sich von der Schwerkraft der Erde frei. Er stellt sich über die Dinge und betrachtet sie von einer höheren Warte aus. Die anderen sagen: Alles Denken ist nur Wiederholen. Alles wurde schon einmal gedacht. Es ist nicht möglich, dadurch etwas Neues zu entdecken. 

Platon, der große Philosoph und Denker, war der Überzeugung, jede Idee sei nur das Abbild, nur die Kopie einer Ur-Idee, die von Ewigkeit her existiert. Er vertrat also die Ansicht, dass wir eine Wahrheit, die ewig ist, nie neu, sondern immer nur wieder entdecken können. 

Vielleicht ist alles Denken nur eine Wiederholung, aber es ist eine Wiederholung in zunehmender Verdichtung. So wie das Eis in seinen Bestandteilen dasselbe ist wie Wasser und doch eine Erscheinung von ganz anderem Charakter, so ist auch dieser Prozess der Gedankenverdichtung eine Verwandlung. Oft endet er in einer Erstarrung. Aber so wie Wasser nicht nur vereist, sondern auch verdunsten und zu Dampf werden kann, sodass die trockene Luft wieder die nötige Feuchtigkeit erhält, muss das Wiederholen im Denken nicht zu einer Erstarrung führen. Es kann auch fruchtbar auf die Atmosphäre wirken und das Einatmen frischer Luft ermöglichen.


P. Walter Rupp, SJ