Der Geist

Weil der Geist so schwer greifbar ist, hielten ihn primitive Völker für ein Gespenst.

Die gibt es bis heute, die nur die Existenz der Dinge anerkennen, die man wiegen oder messen kann. Sie zweifeln an der Existenz des Geistes, weil man ihn nicht in ein Reagenzglas abfüllen, auf eine Waage oder unter ein Mikroskop legen kann. Sie weigern sich an das zu glauben, was man nicht mit den Sinnen wahrnehmen kann.

Es stimmt: Wer ein Buch gelesen, ein Konzert besucht oder einen Vortrag angehört hat und anschließend auf eine Waage steigt, wird feststellen müssen, dass sein Gewicht nicht zugenommen hat, mag er auch 500 oder 800 Seiten gelesen oder eine Stunde zugehört haben. Es lässt sich nicht messen, wie viel Wissen oder wie viele Gefühle er aufgenommen hat. Oder darf man daraus folgern, dass er nichts verstanden hat?

Der Geist ist an seinen Wirkungen zu erkennen. Dass ich eben nach der Wegbeschreibung auch das Ziel finden kann. Dass ich nach dem Sprachkurs die Fremdsprache spreche oder nach einem Gespräch den anderen verstehe. 

Weil der Geist so schwer greifbar ist, hielten ihn primitive Völker für ein Gespenst. Die antiken Philosophen stellten sich den Geist als etwas Stoffliches vor, als einen materiell gedachten luftartigen Körper. Die Bibel spricht von einem Atem, den Gott dem ersten Menschen eingehaucht hat. Der Geist hat etwas Göttliches an sich. Er macht uns gottähnlich.

Er macht es möglich, dass wir uns über Zeit Raum erheben, in die Vergangenheit zurückgehen oder vorausdenken können.


P. Walter Rupp, SJ