Tod

In den alten Totentänzen war der Tod schon an seinem Aussehen zu erkennen.

In den alten Totentänzen war der Tod schon an seinem Aussehen zu erkennen. Er war hager, mürrisch und tat alles, sich bei jeder Gelegenheit in Erinnerung zu bringen. Er trat als Herr auf, der nicht mit sich handeln ließ. Er arbeitete langsam und bedächtig und legte Wert darauf, dass sich die Menschen vorbereiteten. Er war bei aller Härte menschenfreundlich. Man merkte ihm an, dass es ihm leid tat, einen Menschen, vor allem wenn er noch jung war, abholen zu müssen. Aber er tat seine Pflicht. Der dran war, ahnte das Nahen seines Endes. Er wusste, dass es sinnlos war, sich dagegen aufzulehnen und gab sich Mühe, sich in sein Schicksal zu ergeben. 

Der moderne Tod verhält sich anders: Er legt Wert darauf, wie ein Gesunder auszusehen und unauffällig da zu sein. Er verrichtet seine Arbeit heimtückischer und sachlich. Er meidet es, mit jedem, den er haben will, umständlich zu feilschen, und zieht es vor, die technischen und medizinischen Fortschritte für sich nützen. Der Tod verhält sich heute, als habe er mit dem Töten nichts zu tun. Er lässt sterben: infolge eines komplizierten operativen Eingriffs, einer bewährten therapeutischen Behandlung, mit Hilfe erprobter und technisch ausgereifter Verkehrsmittel oder sorgfältig getesteter Pharmaka. Der moderne Tod verrichtet seine Arbeit schneller, unpersönlicher und zuweilen kopflos, hektisch. Er scheint auf eine Begegnung mit dem Menschen keinen Wert zu legen. Er hält sich raus, wie sich einer auf sein Ende einstimmt. Und der moderne Mensch weicht den Letzten Fragen aus, der Frage: Was ist dann? Er weiß nicht, dass die Toten gar nicht so tot sind, wie die sogenannten Lebenden vermuten, und die sogenannten Lebenden nicht so lebendig sind, wie sie es sich einbilden.


P. Walter Rupp, SJ