Begräbnisse

Menschen trauern über den Verlust, weil sie von jetzt an ohne den Menschen auskommen müssen, der ihnen etwas bedeutete und den sie liebten.

Der libanesisch-amerikanische Maler, Philosoph und Dichter, Khalil Gibran, dessen Denken immer um die zentralen Fragen des Lebens kreisten, um die Liebe und den Tod, schrieb einen Satz, in dem die Hoffnungen aller Gläubigen zusammen gefasst sind: „Möglicherweise ist ein Begräbnis unter den Menschen ein Hochzeitsfest unter Engeln.“ 

Aber wenn der Tod für die Gläubigen kein Ende, sondern – wie sie beteuern – nur ein Wandel und ein Neuanfang ist, dürften Begräbnisse keine Trauer auslösen, sondern müssten für Gläubige ein Anlass zur Freude sein, weil für sie das Weggehen von hier, ein Eintreten in eine bessere Welt bedeutet. Weshalb trauern sie? Weil sie den Sarg, aber nicht die Engel sehen. 

Menschen trauern über den Verlust, weil sie von jetzt an ohne den Menschen auskommen müssen, der ihnen etwas bedeutete und den sie liebten. Oft mischen sich jedoch in die Trauer andere Gefühle ein: Enttäuschung, dass der Verstorbene dem oder denen sein Vermögen vermachte, die damit nicht das Rechte anzufangen wissen; das Unbehagen, dass der Verstorbene durch seinen Tod die Hinterbliebenen zwingt, an den eigenen Tod zu denken. Die meisten sind bei Begräbnissen zufrieden, dass sie noch nicht dran sind und noch nicht in die bessere Welt aufbrechen müssen, sondern noch etwas in der weniger guten Welt bleiben dürfen. Die meisten warten gern.


P. Walter Rupp, SJ