Memoirenschreiber

An Memoirenschreibern besteht in unserer Zeit kein Mangel, doch die gelungenen Memoiren wurden dennoch rar!

Weshalb schreibt ein Memoirenschreiber Memoiren? Etwa weil er seine Vergangenheit aufarbeiten möchte? - Erwartet er sich vielleicht vom Schreiben größeren Gewinn, als wenn er sich auf die Couch des Psychotherapeuten legt? Möchte er bedeutende Ereignisse seiner Zeit vor dem Vergessen retten? Oder hält er sich für eine bedeutende Persönlichkeit, deren Andenken für die Nachwelt unbedingt erhalten bleiben muss? Oder giert er nach Bewunderung und hat – wie Rousseau - entdeckt, dass man mit Bekenntnissen, die wie eine Lebensbeichte aufbereitet sein, Neugier wecken und die Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen auf sich lenken kann?

An Memoirenschreibern besteht in unserer Zeit kein Mangel, doch die gelungenen Memoiren wurden dennoch rar! Es gibt zu viele Memoiren, in denen der Autor nicht den nötigen Abstand zu sich selbst einhält und meint, er müsse die Abgründe aufdecken, in die er hineingeraten war oder hätte hineingeraten können. In vielen Memoiren findet der Leser, der eine Lebensgeschichte sucht, die Beschreibung eines Lebens, wie der Memoirenschreiber es gerne geführt hätte. Und am häufigsten kann der Leser von Memoiren Zeuge öffentlicher und qualvoller Hinrichtungen von Zeitgenossen werden, gegen die der Memoirenschreiber etwas hat. Solche Memoiren werden keinem nützen? Selbstdarstellungen, in denen ein Autor selbst das Podest zusammenzimmert, auf das er sich dann stellt, sind peinlich, und an öffentlichen Hinrichtungen findet immer nur das gemeine Volk Gefallen. In Memoiren darf sich ein Ich aussprechen, aber es sollte etwas zu sagen haben und das zur Sprache bringen, was auch andere bewegt.


P. Walter Rupp, SJ