Das Kreuz

Künftig wird man den Apostel Paulus: dass „das Kreuz den Juden ein Ärgernis, den Heiden eine Torheit ist“, mit dem Satz ergänzen müssen: „und den Europäern ein verfassungswidriger Gegenstand.“

Künftig wird man den Apostel Paulus: dass „das Kreuz den Juden ein Ärgernis, den Heiden eine Torheit ist“, mit dem Satz ergänzen müssen: „und den Europäern ein verfassungswidriger Gegenstand.“ Der europäische Gerichtshof in Straßburg glaubte handeln zu müssen, nachdem der Anblick des Kreuzes bei einem Kind Schäden von 5000 Euro angerichtet hat, damit die Kinderseelen, die heute so vielen Reizen ausgesetzt sind, wenigstens vor dem Kreuz geschützt sind. Wenn einmal alle Kruzifixe, die in den vergangenen Jahrhunderten die Jugendlichen daran hinderten, dem Unterricht aufmerksam zu folgen, in den Klassenzimmern abgehängt sind, wird das vielleicht auch ein wichtiger Beitrag für die Beseitigung der Bildungsmisere sein. Denn leere Wände zwingen Schüler dazu - weil nichts mehr da ist, was sie ablenkt – endlich den Blick auf den Lehrer und die Wandtafel zu richten. 

Ein Fall wird noch zu klären sein: wer entschädigt den, der nach einem mühsamen Aufstieg, oben auf dem Berg, ein Gipfelkreuz vorfindet, das ihn in seiner ‚Religionsfreiheit‘ einengt und in seiner ‚Menschenwürde‘ stört? Wann räumt man in den Bergen auf und hängt die Gipfelkreuze ab? Dass man Kruzifixe aus den Gerichtssälen entfernt, ist einzusehen, denn Richter würden es als unangenehm empfinden, bei jedem Urteil, das sie fällen, daran erinnert zu werden, dass schon einmal ein römischer Landpfleger einen Schuldigen laufen ließ und dafür einen Unschuldigen zum Tod verurteilt hat.


P. Walter Rupp, SJ