Lebensfreude

Unsere Zeit hat den Begriff ‘Lebensqualität’ erfunden, aber versäumt zu definieren

Unsere Zeit hat den Begriff ‘Lebensqualität’ erfunden, aber versäumt zu definieren, was denn darunter zu verstehen ist. Man sollte sich deshalb nicht wundern, wenn viele Lebensqualität mit Wohlstand gleichsetzen: mit dem Angebot von Waren, Krankenbetten oder Kindergartenplätzen, mit Weiterbildung, Studienförderung, bezahltem Urlaub und sozialer Sicherheit. Weithin besteht die Meinung, Glücksgefühle ließen sich steigern, indem man den Konsum anhebt, die Freizeitmöglichkeiten ausdehnt und seinen Erlebnishunger mit immer neuen Reizen stillt.

Tatsache ist jedoch, dass mit dem Wohlstand, statt der Glücksgefühle, Lebensüberdruss und Unbehagen wachsen. Trotz Wohlstand und trotz einer hoch entwickelten Vergnügungsindustrie ist es nicht gelungen, die Menschen unserer Zeit glücklicher zu machen. Viele haben einen schlechten Tausch gemacht: ihren Lebensstandard wohl verbessert, ihr Leben dagegen verschlechtert.

Von einer Lust zu leben merkt man heute bei den meisten wenig, eher etwas von der Mühe, das Leben täglich von neuem anzunehmen. Viele werden - wie Eugène Ionesco - von dem zwiespältigen Gefühl hin- und hergerissen, dass es „ein Unglück ist, zu leben und es ein noch größeres Unglück wäre, nicht zu leben.“ Sie sehen das Leben als geringeres Übel und begnügen sich damit, ihm ein paar schöne Seiten abzugewinnen. Sie sind eigentlich weit entfernt, zu leben.

Zufrieden kann nur werden, wer begriffen hat, dass leben dürfen das größte Geschenk ist, und mehr als jeder andere Besitz. Der Mensch ist schon durch sein Dasein reich. Er hat schon von Natur aus so viele Werte mitbekommen, dass er glücklich werden kann. Das setzt allerdings vor-aus, dass er seine Augen auftut und diese Werte entdeckt und pflegt.


P. Walter Rupp, SJ