Das Evangelium

Erkenntnisse sind nicht dazu da, dass man sie in Bibliotheken aufbewahrt

Ich kenne zwischen dem geschriebenen Evangelium und dem Leben der Heiligen – äußerte einmal der Kirchenlehrer Franz von Sales - keinen anderen Unterschied als zwischen einer in Noten geschriebenen Musik und der nämlichen Musik, wie sie von Künstlern ausgeführt wird. 

Erkenntnisse sind nicht dazu da, dass man sie in Bibliotheken aufbewahrt und dort verstauben lässt, sondern dass sie unseren Alltag prägen. Hätte sich die Menschheit mit Einsichten begnügt, und nicht versucht, sie für unser Leben fruchtbar zu machen, sie wäre auf der Stufe der Neandertaler stehen geblieben.

Was nützen die schönsten Partituren, wenn niemand sie in hörbare Musik umsetzt? Gelänge das auch nur unzulänglich und nicht in der Perfektion, wie das die großen Meister fertigbrachten - das eine würde jedenfalls erreicht: dass mit der Musik ein anderes Klima in der Welt entsteht. Sie bringt Frohsinn in die Welt und verscheucht aus ihr den Trübsinn. Musiker machen die Welt schöner, und Christen, die das Evangelium leben, machen sie besser oder könnten sie besser machen, wenn sie das Evangelium leben würden.


P. Walter Rupp, SJ