3. Adventssonntag (A)

Predigtimpuls

Zwei Welten, die zusammen gehören

1. Lesung: Jes 35,1-6a.10
2. Lesung: Jak 5,7-10
Evangelium: Mt 11,2-11

Die Gegensätze könnten größer nicht sein: Auf der einen Seite Johannes im Gefängnis, auf der anderen Seite Jesus, er verkündet die Befreiung und befreit Kranke und Leidende von ihren Fesseln. Die Frage der Johannesjünger lässt ein gewisses Misstrauen, vielleicht auch ein
Konkurrenzdenken zwischen Johannes und Jesus vermuten. Es ist durchaus denkbar, dass es in der Urkirche Spannungen gab zwischen den Johannesjüngern und den Jesusjüngern. Sie sind ja auch so verschieden, diese beiden Männer.

Johannes
Malen wir uns diesen Johannes etwas aus: Er setzt sich ein für Gerechtigkeit, er fordert Gesetzestreue. Er hält draußen in der Wüste eine richtige Standpauke und kündet den strengen Richter an. Schauen wir auf das Ende seines Lebens. Er protestiert heftig gegen die Ehe des Herodes mit seiner Schwägerin Herodias. Dafür kommt er ins Gefängnis, diese Kritik an den Mächtigen dieser Welt kostet ihn schließlich den Kopf. Johannes ist der Mann des Gesetzes und ruft die Menschen auf, sich an das Gesetz zu halten. Er ruft die Menschen auf, etwas zu tun für die Gerechtigkeit. Die Menschen haben es in der Hand, ihr Leben und damit auch die Welt zu verändern.

Jesus
Ganz anders tönt die Predigt Jesu: Da heißt es: Sorgt euch nicht, glücklich die Trauernden, werdet wie die Kinder, mein Joch ist leicht. Und diese Worte werden mit Taten bekräftigt. Mit keinem Wort wird das Gesetz angegriffen oder widerlegt, im Gegenteil. Und dennoch sind die Predigten so verschieden, Jesus wirkt irgendwie so gütig, so großzügig, so sanft. Nach der Botschaft Jesu wird der Mensch nicht gut, weil er sich mit allen Kräften bemüht, das Gesetz zu erfüllen. Nach Jesus wird der Mensch gut, weil er sich von Gott lieben lässt, weil er sich von der Großzügigkeit Gottes anstecken lässt. Was ich jetzt so einfach als Großzügigkeit bezeichne, das heißt in der Sprache der Kirche: Gnade.

Ablehnung durch die Welt
Die strenge Botschaft des Johannes wird von der Welt abgelehnt, aber auch die sanfte, die befreiende Verkündigung Jesu wird abgelehnt. Auch Jesus bezahlt seinen Einsatz für die Leidenden mit seinem eigenen Leben. Welche Botschaft würde denn von der Welt angenommen? Es steht uns nicht zu, über die Menschen jener Zeit zu urteilen. Wir sollen uns fragen: Welche Botschaft wird von uns gehört und verstanden?

Gnade und Gerechtigkeit
Ist denn die Verkündigung des Johannes mit der Verkündigung Jesu unvereinbar? Ist die Ordnung des Gesetzes unvereinbar mit der Ordnung der Gnade? Ein Blick in die Geschichte zeigt uns deutlich, dass im Namen des Glaubens immer wieder gewaltige Gräben aufgerissen wurden zwischen den beiden Ordnungen. Bis heute spüren wir die schmerzliche Spaltung in der Kirche. Zur Zeit der Reformation war die Frage der Rechtfertigung, Gerechtigkeit und der Gnade, ein entscheidender Grund der Spaltung. Theologisch haben wir diese Trennung überwunden, die Einheit der Kirchen aber haben wir noch nicht gefunden.

Weg der Versöhnung
Das heutige Evangelium weist uns den Weg zur Versöhnung. Mag sein, dass es ein Konkurrenzdenken zwischen den Johannesjüngern und den Jesusjüngern gab, Jesus aber versucht die Gegensätze zu überwinden, er baut Brücken. Jesus hat es nicht nötig, andere klein zu machen, er zeigt Größe, indem er den anderen groß macht.

Ich finde hier eine Hilfe für unser Zusammenleben. Wir sind nicht die Einzigen, die recht haben, auch Andersdenkende haben ihre Größe. Wenn Jesus, der die Wahrheit kannte, schon so großzügig war, wie viel mehr müssen wir, die wir stets Suchende sind, den anderen Menschen zutrauen, dass sie ebenfalls auf der Suche der Wahrheit sind?

Kirchenspaltung
Kommen wir zurück zur kirchenspaltenden Frage der Gnade und der Gerechtigkeit vor Gott: Da weist uns Jesus einen klaren Weg: Gnade und Gerechtigkeit schließen sich nicht aus, sie sind aufeinander ausgerichtet. Es geht offensichtlich nicht um ein Entweder-Oder, es geht nicht um Gerechtigkeit oder Gnade, sondern es geht um ein Sowohl-als-Auch: Gerechtigkeit und Gnade. Der Mensch, der voll und ganz auf die Gnade Gottes baut, muss wissen, was Recht und Gerechtigkeit ist. Aus eigenen Kräften aber kann der Mensch nie vollkommen werden.

Unsere Grenzen
Bei allem Bemühen um Gerechtigkeit stoßen wir immer wieder an unsere Grenzen. Auch in einer ehrlichen und liebevollen Beziehung gibt es Spannungen, gibt es Verletzungen, die man nicht ungeschehen machen kann, die man aber verzeihen kann. Daher ist die Begegnung von Johannes und Jesus die Begegnung von zwei Welten, die zusammen gehören. Das Alte Testament gehört zum Neuen Testament. Johannes gehört zu Jesus, Elisabeth gehört zu Maria. Es gibt keine Gerechtigkeit (Rechtfertigung) ohne Gnade und der Mensch spürt erst aus der Erfahrung der Ungerechtigkeit und aus der Erfahrung seiner eigenen Unvollkommenheit, wie sehr er auf die Großzügigkeit, auf das Verzeihen Gottes
und der Mitmenschen angewiesen ist.

P. Albert Kappenthuler SVD