14. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Mit den eigenen Grenzen leben

1. Lesung: Ez 1,28c-2,5
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Kor 12,7-10
Evangelium: Mk 6,1b-6

Mit den eigenen Grenzen leben

Grenzerfahrungen gehören zum Leben. Irgendwo und irgendwann stößt jeder Mensch an die Grenzen seiner Wünsche und Vorstellungen, seiner Möglichkeiten und seiner Leistungsfähigkeit. Nur hin und wieder hört man von „Blitzkarieren“, Erfolgsmenschen und gelungenen Lebenswerken. Aber im Normalfall erfährt jeder seine „Aufs“ und „Abs“, nicht selten sogar schmerzlich. Zum Menschsein gehören also auch die Grenzen, die man akzeptieren muss. Jede und jeder macht damit ihre/seine eigenen Erfahrungen. Kein Leben lässt sich diesbezüglich mit einem anderen vergleichen. Die Frage ist nur, wie wir mit unseren eigenen Grenzen umgehen. 


In seinen Schwächen erkennt Paulus die Macht Christi 

In der heutigen Lesung aus dem 2. Korintherbrief spricht auch Paulus in aller Offenheit von seinen Schwächen. Aber er jammert nicht, klagt Gott nicht an, sondern versucht, seine Schwächen im Licht seiner Berufung zu verstehen. Das schließt nicht aus, dass er zuvor inständig Gott um Hilfe gebeten hat. In seiner Antwort für sich selbst liegt auch die Botschaft für uns. Erst in der Annahme der Schwächen und Grenzen eröffnet sich Sinn und Licht im Leben. Ja, in der Annahme erweist sich Gott sogar noch stärker. „Wenn ich schwach bin, bin ich stark“ (V 10). Paulus nennt uns nicht genau sein Leiden, das wie ein Dorn in seinem Leib steckt und den er wohl nicht entfernen kann. Wissenschaftler haben immer schon gerätselt, was das hätte sein können. Aber es gibt keine konkrete Antwort darauf. Vielleicht ist das auch gut so, denn so steht sein Leiden stellvertretend für alle möglichen Leiden, die wir und viele Menschen in unterschiedlicher Art erleben. Selbst das ständige und inständige Gebet brachte ihm keine Befreiung außer der inneren Einsicht (Paulus sieht darin die Stimme des Herrn), dass „seine Gnade genüge; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (V 9). In den wenigen Worten des Apostels hören wir das innere Ringen mit seinen Schwächen und Gottes Antwort. Er musste den Gekreuzigten, den er immer mit Worten verkündet, an seinem eigenen Leib erfahren, um so kraftvoll und überzeugend wirken zu können. Ja, es ist dann nicht mehr er, der Apostel, der verkündigt, sondern Christus selbst. Darin liegt der Erfolg christlicher Predigt. 


Im Glauben seine Schwächen akzeptieren 

Vielleicht haben wir da selbst etwas umzudenken. Zumindest passt diese Kategorie des Sieges in der Schwachheit nicht in diese Welt. Weltlich zählt Gesundheit, Lebenskraft, Engagement und wirtschaftlicher Erfolg. Alles ist einem sportlichen Wettkampf unterworfen, wo der Fitteste siegt. Der Druck auf ‚Versager‘ und Zurückgebliebene ist enorm. Man ist allerdings nicht unmenschlich. Sozialhilfen aller Art versuchen, den Mittellosen, Kranken, Behinderten, Alten und Hilflosen beizustehen, damit sie/er sich etwas vom Lebenskuchen abschneiden kann. Die Empfänger nehmen dann am Reichtum der Erfolgreichen teil, aber am Weltbild der ‚Starken‘ hat sich nichts verändert. Paulus bettelt in seiner Schwachheit nicht um Hilfe, sondern sieht sie als Werkzeug Gottes für die Verwirklichung seines Reiches. Das dreht unser modernes Denken um und fordert uns heraus. 

Christliches Leben hat mit der Akzeptanz der Schwächen und Grenzen zu tun. Man kann sie durch ein falsches Selbstbewusstsein überspielen, aber das befriedigt im Letzten nicht. Man kann sich aber auch herausfordern lassen und feststellen, dass man nur vermeintliche Grenzen an sich gesehen hat. Gott kann in mir Dinge verborgen haben, die zur Entfaltung rufen, jedoch durch die Fixierung auf die Schwächen von mir nicht erkannt werden. Auch unser Ordensgründer, der Hl. Arnold Janssen, musste sich erst über seine vermeintlichen Grenzen hinausführen lassen, um seine wahre Berufung zu erkennen. Natürlich gibt es auch das Davonlaufen vor den eigenen Schwächen aus Stolz und Scham, indem man sich bewusst und „erst recht“ mit selbstgemachten Idealen dagegen stemmt. Aber nicht selten überfordert man sich dabei selbst und wird krank. Wie gehen wir richtig mit den Schwächen um?

Gott kann aus Schwachem Großes wirken

Der gläubige Christ weiß um seine Schöpfungswirklichkeit und weiß deshalb auch, sich so anzunehmen, wie der Schöpfer ihn gemacht hat. Das schließt die Akzeptanz meiner physischen und psychischen Gestalt ein. Als Produkte der Schöpfung weisen alle Menschen unterschiedliche Gaben und Defekte auf. Die gläubige Annahme seiner selbst ist also der erste Schritt zu einem erfüllten Leben. „Ich danke dir, dass Du mich so wunderbar gestaltet hast“, betet der Psalmist in Ps 139. Denn jeder Mensch ist ein von Gott gewolltes und geliebtes Wesen, das das Antlitz Gottes in sich trägt. Das wahre Menschsein liegt im Geist, nicht in der körperlichen Gestalt. 

Auf Grund unserer Berufung können wir davon ausgehen, dass Gott menschliche Defizite, Schwächen und Grenzen nicht als Hinderung zur Verwirklichung des Reiches Gottes betrachtet, sondern im Gegenteil als einzigartiges Werkzeug. Heilige wie Franz von Assisi, der Pfarrer von Ars, Mutter Theresa und viele andere haben durch die Annahme ihrer Schwächen Großes wirken können. Sie alle würden sagen, dass es nicht ihr Verdienst, sondern Gottes Kraft war, die in ihnen wirkte. 

Wer sich anzunehmen weiß, kann mit Paulus sagen: „Deshalb habe ich Freude an jeder Schwachheit, an Misshandlungen und Nöten, an Verfolgungen und Ängsten, die ich für Christus ertrage. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“

 

P Martin Neuhauser SVD