6. Sonntag der Osterzeit (B)

Predigtimpuls

Aufbruch – damals und heute

1. Lesung: Apg 10,25-26.34-35.44-48
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Joh 4,7-10
Evangelium: Joh 15,9-17
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Gewitter im Frühling

Die Lesungen in der Osterzeit passen stimmungsmäßig zusammen mit unserer Frühlingsatmosphäre. Es liegt so etwas Neues, Frisches in der Luft, das nach Neuanfang schmeckt, so wie damals die Urgemeinde einen frühlingshaften Aufbruch erlebte – meinen wir. Die Apostelgeschichte ist in der Tat ein Werk, das Mut machen will in einer schweren Zeit, in der zu lernen war, dass die bald erwartete Wiederkunft des Herrn auf ungewisse Zeit verschoben ist. Die junge Gemeinde, die Braut, die sich Christus erworben hatte, musste ihr Hochzeitsgewand mit einem wetterfesten Wanderkleid tauschen für den langen, gefährlichen Weg durch die Geschichte, dem Bräutigam entgegen, der weder Adresse noch Datum hinterlassen hatte.

Diese Enttäuschung nährte den Zweifel, der am Glauben nagte. Die Apostel, das Leitungsgremium, waren gefragt. Sie hatten das Unglaubliche, das Unerhörte der Frohen Botschaft zu verkünden und zu bezeugen (martyrein – Märtyrer werden), hatten auf die treue Bewahrung der Botschaft zu achten, hatten Vorsorge für künftige Entwicklungen zu treffen, mussten richtungweisende verbindliche Entscheidungen treffen. Solche „Geschichten“ (Praxeis) sind in den „Geschichten der Apostel“ versammelt. Diese Praxeis hatten zur Zeit ihrer literarischen Entstehung die Nebenbedeutung von „Abenteuern“ von Braut und Bräutigam, die durch widrige Umstände und Ereignisse voneinander getrennt sind, aber all die Vorkommnisse in treuer Liebe bestehen. So lassen die Handlungen der Apostel die Kirche auf ihrem Weg miterleben.


Erdbeben in der Urgemeinde 

Wenn es da im Ausschnitt aus dem zehnten Kapitel heißt: Petrus sagte vor der heidnischen Familie des hohen römischen Offiziers: „Jetzt begreife ich, dass Gott in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ (Apg 10,34f), dann ist das kein frommer Satz aus einem betulichen Exerzitienvortrag. Es ist ein Erdbeben, ein Durchbruch von unvorhergesehener Tragweite. 

Die Begleiter des Petrus, deren Heimat die jüdische Religion und Kultur war, konnten es nicht fassen, dass die noch heidnische Hausgemeinde die gleiche charismatische Gebetserfahrung machen durfte wie die Christen in Jerusalem. Und Petrus ist nicht nur ergriffen und redet salbungsvolle Worte, sondern handelt: „Kann jemand denen das Wasser der Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu zu taufen“ (Apg 10,47f). 

Was Petrus damals im Haus des Kornelius – schon das war ein Tabubruch: ein Jude durfte das Haus eines Heiden nicht betreten - getan hatte, war ihm als Denunziation schon vorausgeeilt. Als er nach Jerusalem zurückkam, stellte man ihn zur Rede. Für strenggläubige Juden-Christen war sein Verhalten skandalös. Die Beschneidung und Übernahme des sehr komplizierten mosaischen Gesetzes war für sie Voraussetzung, dass man an den Verheißungen an Abraham teilhaben konnte. Was Petrus da getan hatte, kam ihnen als Ausverkauf ihrer religiösen Überzeugung gleich, war gewissermaßen „Heilsverheißung light“. Das konnten sie ihm nicht durchgehen lassen. Petrus, mit dem Rücken zur Wand, schilderte die Situation: Ich konnte nicht anders! 


Unkraut ist Gottes Gewächs

Zum Glück waren damals gerade auch Christen aus anderen Kommunitäten in Jerusalem, die Petrus beisprangen: Was er getan hat, ist bei uns gängige Praxis. Da waren die strengen Glaubenshüter sehr verunsichert. Man vereinbarte ein Konzil, das erste, auf dem die Zulassungsbedingungen für die Taufe neu festgelegt wurden. „Liberalisiert“ ist nicht der rechte Ausdruck, vielmehr ging es darum, den Möglichkeiten und Befindlichkeiten der Menschen aus anderen Lebenswelten, die dem Evangelium und dem gemeinsamen Leben der Jünger Jesu folgen wollten, gerecht zu werden. Es ging also um Gleichstellung in Verschiedenheit der Jünger Jesu. Wie schwierig die Akzeptanz und Durchführung dieser Entscheidung war, davon berichten die Briefe des Apostels Paulus und die Geschichten der Apostel.

„Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ In den überfälligen Entscheidungen mit Durchbruchs- und Erdbebencharakter unserer Tage sind wir den frühchristlichen Gemeinden sehr nahe. Ihre Handlungen sind für uns Maßstab (Kanon), nicht zum Kopieren, sondern um aus dem demselben Geist zu handeln, der die Kirche von Anfang an getragen und geführt hat.


P. Dr. Gerd Birk SVD